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Der deutsche Synodale Irrweg (6)

Konzentrierter Angriff auf das sakramentale Priestertum

Von Hubert Hecker.

Zusammenfassung: Im Gefolge der wissenschaftlich nicht gedeckten Empfehlungen der MHG-Studie wird dem zölibatären Priestertum die Generierung von drei negativen Haltungen in die Schuhe geschoben: Klerikalismus, Machtmissbrauch und sakrale Überhöhung. Unter diesem Vorwand versucht das Synodalforum ‚Macht und Gewaltenteilung‘ das vom Konzil bestätigte sakramentale Priestertum auszuhebeln, insbesondere die priesterliche Beauftragung der Heiligung, der Lehre und der Leitung. Stattdessen wollen die Synodalen in Nachahmung staatlicher Strukturen mit Gewaltenteilung und Machtkontrolle die Kirche auf den postkatholischen Irrweg der Protestantisierung führen


  

 

Im Jahre 2012 beauftragte die Deutsche Bischofs-Konferenz Prof. Christian Pfeiffer mit einer Missbrauchsstudie im Bereich der diözesanen Kirche Deutschlands. Aufgrund seiner vorhergehenden Studie (siehe Synodaler Irrweg 4) ging der Kriminologe von der Hypothese aus, dass der Zölibat bei Missbrauch ein protektiver Faktor sei, wie das auch die Untersuchungen von den Forensikern Kröber und Leygraf bestätigten. Nach eineinhalb Jahren wurde die Zusammenarbeit wegen verschiedener Streitpunkte der Vertragsparteien beendet. Im Sommer 2014 schloss die DBK mit dem Forscherkonsortium MHG einen neuen Beauftragungsvertrag.

Der neue Forschungsansatz der Professoren aus Mannheim, Heidelberg und Gießen stand im krassen Gegensatz zu den Positionen von Pfeiffer und Leygraf, insbesondere zur Einschätzung des Zölibats. Es war schon vor Forschungsbeginn klar, dass mit dem entscheidenden dritten Projektziel die spezifisch katholischen Strukturen, Traditionen und Lehraussagen generell als ‚missbrauchsbegünstigend‘ identifiziert werden sollten. Konkret sollte mit den Punkten Zölibat, Sexualmoral und die hierarchisch-sakramentale Ordnung der Kirche die spezifisch kirchlich-katholischen Dimensionen diskreditiert werden, die die Kirche von den protestantischen Gemeinschaften unterscheidet.

War das den führenden DBK-Bischöfen beim Vertragsabschluss nicht bewusst? Waren sie zu naiv oder haben sie sich vielleicht allzu leichtgläubig über den Tisch ziehen lassen?

Die Diskreditierung katholischer Positionen war bischöflich gewollt 

Bei der Publikation der MHG-Studie im Herbst 2018 war zu beobachten, dass die meisten deutschen Bischöfe sehr eilfertig den von den Forschern empfohlenen Abbau der katholischen Positionen akzeptierten. Der DBK-Vorsitzende Kardinal Marx und sein Stellvertreter Bischof Bode gingen sogleich in die Öffentlichkeitsoffensive mit den Forderungen, den Zölibat infragezustellen, die kirchliche Ehe- und Sexualmoral „ohne Tabus“ neu zu konzipieren und die Leitungsaufgaben von Bischöfen und Priestern abzubauen. Schließlich einigte man sich mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, diese drei Hauptforderungen in drei Arbeitsgruppen einer deutschen Synode spruchreif zu machen. Später kam noch eine vierte Arbeitsgruppe zur Rolle der Frauen in der Kirche dazu. Dieses Forum wurde ebenfalls von dem MHG-Studienleiter Harald Dreßing begrüßt: „Hilfreich wäre auch ein Aufbrechen der geschlossenen Männerbünde, zum Beispiel durch die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern.“[i]

Auf diesem Hintergrund drängen sich anstelle der oben notierten Fragen ganz andere Thesen auf: Den Bischöfen muss das kirchenkritische Programmziel der MHG-Forscher bewusst gewesen sein. Sie erwarteten und begrüßten die Aussagen der Autoren, in kirchlichen Strukturen die alleinige Schuld an Missbräuchen von Geistlichen zu sehen. Sie ignorierten die fundierte Kritik von Manfred Lütz an den Untersuchungsergebnissen sowie die wissenschaftlich nicht gedeckten Empfehlungen. Denn die Studie lieferte der DBK-Führung einen perfekten Vorwand, schon länger angestrebte kirchliche „Reformen“ als Anpassung an den Protestantismus und den Zeitgeist auf den (synodalen) Weg zu bringen.

Angriff auf den priesterlichen Zölibat …

Kardinal Marx hatte im September 2018 bei der Publikation der MHG-Studie verkündet, der Zölibat sei für die ergebnisoffene Diskussion freigegeben. Damit ermunterte er progressive Theologen, Laiengremien und Kirchenmedien zum allseitigen Angriff auf die priesterliche Ehelosigkeit. Nach einem Jahr antizölibatärer Propaganda fasste ein Kommentator der Katholischen Nachrichten-Agentur die kirchliche mainstream-Meinung so zusammen: „Im Zuge von Priestermangel und Missbrauchsskandal“ sei die Abschaffung des Zölibats besonders dringlich. Denn die zölibatäre Lebensweise fördere „einen männerbündischen Klerikalismus, Machtmissbrauch und ein überhöhtes Priesterbild. Mit seinem Wegfall könne eine partnerschaftlichere Kirche entstehen.“[ii] Einige Monate später schloss sich der Sprecher der Opfer-Initiative ‚Eckiger Tisch‘, Matthias Katsch, ebenfalls dem Kampf gegen den Zölibat an: „Der Zölibat in seiner jetzigen Form ist Teil des Machtsystems der katholischen Kirche. Das ist der organisatorische Schlüssel, der die klerikale Pyramide zusammenhält.“[iii]

An der KNA-Passage ist bemerkenswert, dass die sexuellen Missbrauchsfälle nur noch als Anlass für eine Umwandlung in eine andere, „partnerschaftliche“ Kirche gesehen werden. Diese Begründungsveränderung ist wohl der Kritik daran geschuldet, dass es in der Tat ein fehlgehendes Argument ist, bei 96 Prozent unbescholtenen Priestern und vier von hundert übergriffigen Geistlichen weitreichende „Struktur-“Änderungen in der Kirche zu fordern. Gleichwohl bleibt der Zölibat im Fadenkreuz der innerkirchlichen Angriffe. Man fährt große Geschütze auf, um die priesterliche Ehelosigkeit zu delegitimieren. Dem zölibatären Priestertum wird die Generierung von drei negativen Haltungen in die Schuhe geschoben: Klerikalismus, Machtmissbrauch und sakrale Überhöhung des Priesterstatus‘.

… und die hierarchisch verfasste Kirche

Alle drei Vorwürfe sind unberechtigt. Die ersten beiden ‚Anklagepunkte‘ sind im vorherigen Teil der Serie als haltlos aufgewiesen worden: Die Daten der MHG-Studie zeigen eindeutig, dass die Mehrzahl der Übergriffe nicht durch Ausnutzung klerikaler Macht, sondern mit den Methoden post-klerikaler Erschleichung von Vertrauen angebahnt und ausgeführt wurde. Die dritte These von der sakralen Überhöhung des Priestertums soll im Folgenden erörtert werden.

Wie aus den oben erwähnten Stellungnahmen ersichtlich, hat sich der Angriffsfokus vom Zölibat auf den zölibatären Priester verschoben – und auch das ist nur ein Etappenziel. Das weitergehende Ziel besteht darin, die hierarchisch verfasste Kirche („klerikale Pyramide“) zum Einsturz zu bringen, indem das zentrale Bauelement des sakramentalen Weihepriestertums von Pfarrern und Bischöfen abgeschafft werden soll. Auf den Trümmern möchte man dann eine post-katholische ‚partnerschaftliche‘ Afterkirche aufbauen.    

Bis zum Oktober 2019 sahen sich die kirchlichen Meinungsführer durch die Vordokumente der Amazonas-Synode bestärkt, dass die ‚viri probati‘ und damit der Einstieg in den Ausstieg zum Zölibat kommen würde – zuerst im Präzedenzfall Amazonien, danach in allen Ländern mit „Priestermangel“. Ihre Träume von der päpstlichen Freigabe von verheirateten Priestern platzten aber zunächst mit dem apostolischen Schreiben im Februar 2020. Eigentlich hätten die Zölibatsverächter schon aus dem Brief des Papstes an die deutschen Katholiken im Sommer 2019 entnehmen können, dass sie sich in Zeiten des zunehmenden Glaubensverlustes mehr um die Stärkung einer evangelisierenden Kirche kümmern sollten als um Strukturreformen oder Einmischung in weltkirchliche Lehrfragen. 

Diese päpstlichen Mahnungen wurden von den DBK- und ZdK-Führern in der gewohnten Manier umgedeutet als Ermutigung zum Weitergehen auf dem ‚Synodalen Weg‘, also einem nationalkirchlichem Sonderweg. Seit dem Ersten Advent 2019 hat die deutsche Synode mit ihrer Arbeit begonnen. Die Zölibatsdiskussion ist dabei etwas zurückgefahren worden. In dem Forum ‚Priesterliche Lebensform‘ besteht nur eine von vielen Fragen darin: „Ist der Zölibat die dem Wesen des Priestertums allein angemessene Lebensform?“

Ansonsten unterscheidet sich das viereinhalbseitige Arbeitspapier des Forums in seiner geistlichen Ausrichtung deutlich von den modernistischen Thesen der drei anderen Foren. Das Forum will seine Beratungen entsprechend der Impulse von Papst Franziskus „an dem Primat des Evangeliums und des sensus ecclesiae ausrichten“ – etwa mit der Frage: Wie können Bischöfe, Priester und Laien sich selbst evangelisieren, in Glaube, Hoffnung und Liebe wachsen, um  dann ihrem Verkündigungs- und Sendungsauftrag in der Welt und insbesondere gegenüber der säkularisierten Gesellschaft nachzukommen? Allerdings zeigen sich in den weiteren Ausfaltungen dieser grundlegenden Aufgabenstellung die Schwächen und Inkonsequenzen der Orientierung an Franziskus: Man soll die Zeichen der Zeit wahrnehmen, die aktuelle Wirklichkeit annehmen, darin und in den Worten der anderen „den Heiligen Geist hören“ statt mit dem Hören auf das Wort Gottes im Evangelium zu beginnen. Gegenüber dem wohlfeilen Reden von den (automatisch wirkenden) Charismen der Getauften betont das Papier, dass das „sakramentale Taufbewusstsein der erwachsenen-katechetischen“ Vertiefung bedarf, um die Charismen zu wecken und den Sendungsauftrag der Laien bewirken zu können. Im Bekenntnis zur Sakramentalität des Priestertums, eingebettet in die Kirche als Grundsakrament, wird gefragt, wie die Weihevollmacht durch das Glaubens- und Gebetsleben der Priester so ausgestaltet werden kann, dass die Hirtenvollmacht der Pfarrer sich zu einer guten geistlichen Leitung für den priesterlichen Dienst am Volk Gottes entwickelt.[iv]

Grundstürzende ekklesiologische Forderungen auf dem Synodalen Weg

Eine ganz andere Ausrichtung ist in dem Forum: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche. Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“ festzustellen, bei dem es ebenfalls um die Weiheämter von Bischof und Priester geht. In dem neunzehnseitigen Papier werden weniger Fragen gestellt oder auf Bibel- und Konzilsworte gehört, als forsche Thesen und Behauptungen in den Vordergrund gerückt. Man gefällt sich im hohen Ton akademischer Ausführungen über angebliche historische und soziologische Fehlentwicklungen in der Kirche. Die Verfasser schreiben im Duktus besserwisserischer Belehrungen bei offensichtlich elitärem Selbstbewusstsein.

Passagenweise liest sich der Text wie ein politisches Programm: Erst im 19. Jahrhundert sei es in der Kirche zu einer „Aufladung des Weiheamtes als ,heilige Gewalt‘ gekommen“, wodurch eine „Zusammenballung von sakramentaler, legislativer, exekutiver, administrativer und juristischer Vollmacht“ entstanden wäre. Das sei den heutigen Zeitgenossen „nicht mehr plausibel“ zu machen. Deshalb müsse sich die Kirche an den „normativen Ansprüchen“ orientieren, „die in modernen demokratischen Verfassungsstaaten gelebte Praxis“ seien.[v]

Weiter schreiben die Verfasser: „Sexualisierte Gewalt von Amtsträgern und ihre Verschleierung hängen mit einer Form der Sakralisierung kirchlicher Macht zusammen, (…) die sich auf Gott beruft, um sich der Kontrolle durch das Volk Gottes zu entziehen.“ Im Rahmen dieses sozio-politischen Machtbegriffs fordert man Machtkontrolle durch das Volk als demokratische Legitimation, Partizipation und Gewaltenteilung nach staatlichem Vorbild. Die innerkirchlichen Strukturen und Prozesse sollen denen des säkularen Staates nachgebildet werden. Aber wer braucht eine solche Verdopplung des Staates in der Kirche? Und was hätte die anvisierte säkularisierte Institution mit der von Christus gestifteten Kirche gemein? Man fordert, „die Verleihung von Leitungsämter ausschließlich auf Zeit“ zu vergeben (vier Jahre wie bei Volksvertretern und Regierung?), „Kontrolle von Führungspersonen durch unabhängige Personen und den Predigtdienst von Gläubigen in der Heiligen Messe zu beschließen“.

Mit diesen grundstürzenden ekklesiologischen Forderungen soll die biblisch fundierte Lehre von der Kirche abgelöst werden,
- dass der auferstandene Christus in seiner Kirche als mystischem Leib fortlebt,
- dass Christus alle Gläubigen zu seinen Jüngern, Nachfolgern, Verkündigern und Missionaren berufen hat,
- dass er aber die zwölf Apostel zu dem besonderen Dienst der Hirtensorge beauftragt hat, die sich in den drei Diensten Heiligung-, Leitungs- und Lehramt vollzieht,
- dass folglich die Apostel (Bischöfe, Priester) Christus als Haupt und Hirte der Kirche repräsentieren und sichtbar machen,
- dass Christus die Apostel im Abendmahlssaal beauftragt hat, das Mysterion (Sakrament) seiner Kreuzeshingabe als Sündenvergebung und Erlösungstod zu vergegenwärtigen.[vi]

Diese Kirchenlehre hat das Konzil in seiner Dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ bewahrt und ausgefaltet. Für die von Christus beauftragten und gesandten Bischöfe und Priester werden die drei besonderen priesterlichen Aufgaben im Lehr-, Heiligungs- und Leitungsdienst bestätigt. In diesem Rahmen stellt das Konzil fest, dass die geweihten Priester sich von den einfachen Gläubigen „dem Wesen, nicht dem Grad nach“ unterscheiden. Denn die Amtspriester „bilden Kraft ihrer heiligen Gewalt, die sie innehaben, das priesterliche Volk heran und leiten es“.

Missbrauch bei der Konzilsexegese

Gegen diese Konzilsbestätigung der herausgehobenen Berufung und Beauftragung der Priester laufen nicht nur die Verfasser des Forumstextes Sturm. Die offene oder indirekte Missbilligung der betreffenden Konzilsaussagen findet man bei zahlreichen modernistischen Theologen und Bischöfen. Sie kommt auch in der Kritik mehrerer Bischöfe an der päpstlich approbierten Instruktion zu den Pfarrgemeinden und ihrer Leitung vom 20. Juli zum Ausdruck. Bischof Bode bemängelt in seiner Stellungnahme zu dem römischen Dokument das „Priesterbild“, das „die Besonderheit des (priesterlichen) Dienstes zu stark betont“. Der Bischof verweist in diesem Punkt auf die Beratungsforen des Synodalen Wegs, die die „römische Herausforderung“ der Instruktion parieren und relativieren sollen. Das Forum ‚Macht und Gewaltenteilung‘ hat dazu schon Vorgaben gemacht:
- Die angeblich problematische „Einheit von Leitung, Lehre und Sakramentenspendung“ für die Weiheämter soll aufgebrochen werden;
- „die Leitungsgewalt und Entscheidungsmacht ist nicht exklusiv an die Weihe zu binden“;
- kirchliche Macht und Gewalt soll „durch Partizipation und Gewaltenteilung“ nach staatlichem Vorbild in die Schranken gewiesen werden.

Die synodalen Textautoren beziehen sich bei ihren Forderungen nach einem ekklesiologischen Paradigmenwechsel ausschließlich auf das zweite von acht Kapiteln der dogmatischen Kirchenkonstitution des Konzils. In diesem Teil von ‚Lumen gentium‘ mit dem Titel ‚Das Volk Gottes‘ geht es um die Berufung und Sendung aller Gläubigen zu geistigen Opfern und Verkündigung des Evangeliums (siehe oben). Insofern sind sie ein „priesterliches Volk“, jedoch mit unterschiedlichen Diensten und Aufgaben sowie in organischer Einheit.
Die besonderen Dienste von Bischöfen, Priestern und Diakonen werden im dritten Kapitel der Konstitution unter den Nummern 18 bis 29 gelehrt und erläutert. Diesen Teil der Konzilsaussagen ignorieren die deutschen Synodalen vollständig. Nicht wahrhaben wollen sie die beständige Lehre der Kirche, dass die Bischöfe zusammen mit den Priestern und Diakonen „an Gottes Stelle der Herde vorstehen, deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung“. Die Amtsvollmachten der Heiligung, der Lehre und der Leitung werden den Bischöfen und Priestern in der Weihe übertragen. Sie übernehmen in sichtbarer Weise die Aufgaben Christi, des Lehrers, Hirten und Priesters, und handeln in seiner Person (Lumen gentium 19-21).

Es ist ein illegitimes Verfahren, wenn das Synodalpapier in einer selektiven Auslegung zentrale Kapitel eines Konzilsdokumentes ignoriert und sich nur bestimmte Passagen herauspickt, um mit deren Interpretation das Gesamtdokument für einseitige Ansichten zu vereinnahmen. Die synodalen Autoren täuschen die kirchliche Öffentlichkeit mit dem vermittelten Eindruck, ihr ekklesiologischer Paradigmenwechsel ergebe sich aus dem Konzilsdokument.

Angriff gegen das sakramentale Priestertum

Ein weiterer Pfad zur Delegitimierung von Priestern und Pfarrern besteht in der These, die geweihten Personen und ihre Ämter würden durch Sakralisierung und Sakramentalisierung zu illegitimen Machtpositionen aufgebaut, die sich gegen jegliche Kritik und Kontrolle immunisieren wollten. Angestoßen hatte die Sakralisierungsdiskussion der Salzburger Theologe Prof. Dr. Gregor Maria Hoff, der beim DBK-Studientag am 13. 3. 2019 in Lingen zu einem Vortrag mit dem Titel: „Sakralisierung der Macht“ eingeladen war. Hoffs Thesen sind ziemlich verklausuliert – um nicht wirr zu sagen: „Die katholische Kirche befindet sich angesichts ihres Missbrauchsproblems in einer Sakralisierungsfalle. Der sakramentale Code greift immer (…). Aber er droht gegenüber der Sakralmacht, die er voraussetzt, blind zu bleiben, indem er sie beansprucht.“[vii]

Bei dieser verrätselten Dialektik drängt sich die Frage auf, ob die Leser verstehen sollen, was der Autor meint. Zweifel sind angebracht angesichts der sozio-politischen Formel, die Hoff unvermittelt wie eine Zauberformel aus dem Hut zieht für das angebliche kirchliche „Systemproblem“: „Gewaltenteilung von innen her und Machtkontrolle von außen“.

Noch fundamentaler ist die Kritik des Kirchenhistorikers Hubertus Lutterbach an dem sakramentalen Charakter von Kirche und kirchlich-liturgischem Handeln, wie ihn das Konzil bestätigt hat. „Der Autor will Schützenhilfe leisten für die Schaffung einer neuen Kirche, wie sie der Synodale Weg für Deutschland herbeiführen soll.“[viii] Lutterbachs Vision besteht in einer radikalen Profanisierung aller sakramentalen und religiös-symbolischen Rituale sowie aller sakralen Gegenstände, Bilder und Kirchenräume. Was von der Kirche bleiben soll, wäre dann eine calvinistisch-säkulare Gemeinschaft, die von einer NGO nicht mehr unterscheidbar wäre.  Der Rückgriff auf die Sakralkritik des frühen 16. Jahrhunderts zeigt an, wohin die Entsakralisierungsbestrebungen im Rahmen des Synodalen Wegs laufen soll: Die „deutsche römisch-katholische Kirche“ (S. 19) soll auf den Irrweg der Protestantisierung geführt werden und damit ihre katholische Identität aufgeben.

Weckruf zur Umkehr vom nationalkirchlichen Irrweg in die weltkirchliche Gemeinschaft

Welche Bedeutung hat die kürzlich vom Papst approbierte Instruktion über die Pfarrgemeinden für den deutschen Synodalweg? Das vatikanische Dokument drückt im Titel seine Zielsetzung aus: „Pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Der Papst mahnt – wie schon in seinem letztjährigen Brief an die deutschen Katholiken, dass in der Kirche „die Evangelisierung unser Leitkriterium schlechthin sein muss“. Unter der „Leitung der Hirten“ sollen alle Gläubigen aufgerufen und gefördert werden, „aktive Protagonisten der Evangelisierung“ zu sein in der „organischen Gemeinschaft“ der Pfarrgemeinde mit seinen unterschiedlichen Diensten und Berufungen (Nr. 38f). In der Feier der heiligen Eucharistie als ‚Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens‘ „entsteht die Pfarrgemeinde“ immer wieder neu, geleitet vom Pfarrer in seinen Diensten als geweihter Priester, Lehrer und Hirte. Auf dieser konzilsdogmatischen Grundlage hat die vatikanische Instruktion die Festlegung des Kirchenrechts von 1983 bestätigt, dass allein geweihte Priester als Pfarrer zur Leitung von Pfarreien befugt sind.

Indem einige führende deutsche Bischöfe „das Priesterbild“ der Instruktion ablehnen, verweigern sie den zugrundliegenden dogmatischen Konzilsaussagen ihren gläubigen Respekt. Aber vor allem soll der anti-römische Protest verdecken, dass die Instruktion den Synodalen Weg ins Unrecht setzt bezüglich des Kirchenrechts und der Dogmatik. Die steilen Thesen des Synodalforums „Macht und Gewaltenteilung“ (siehe oben) zeigen sich als kirchlicher Irrweg, indem die sakramentale Legitimierung der Weihepriester für die repräsentatio Christi in der Gemeinde als Lehrer, Hirte und Priester geleugnet wird. Auch die Synodenperspektive von Kardinal Marx wirkt auf diesem Hintergrund mehr als unglaubwürdig. Der ehemalige DBK-Vorsitzende hatte die Positionen der deutschen Sonderwegsynode als „hilfreich auch für die Weltkirche und für andere Bischofskonferenzen“ angepriesen.[ix] Indem die vatikanische Instruktion die deutsch-kirchlichen Positionen als abwegig erweist, kann sich Marx seinen überheblichen Vorschlag hinter den Spiegel stecken.

Nach dem Papstbrief vom Sommer 2019 sollte die vatikanische Instruktion von den deutschen Bischöfen als weiterer Weckruf beherzigt werden, von dem nationalkirchlichen Irrweg umzukehren in die weltkirchliche Gemeinschaft mit dem Papst und allen anderen Bischöfen.



[i] FAZ vom 20. 5. 2019

[ii] Christof Arens am 12. 9. 2019 auf katholisch.de

[iii] Der Spiegel vom 11. 1. 2020

[iv] Forum „Priesterliche Lebensform“. Themen- und Fragensammlung, Stand vom 13./14. 9. 2019

[v] Arbeitspapier des vorbereitenden Forums zu ‚Macht und Gewaltenteilung in der Kirche. Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag‘, Stand vom 13./14. September 2019

[vi] Die Ausführungen orientieren sich an dem Beitrag: Funktionär oder Gesandter Christi? Von Christoph Binniger, ao. Professor für Dogmatik in Heiligenkreuz, im Beiheft 03 ‚welt  & kirche‘ der Tagespost vom 26. 3. 2020

[vii] Prof. Dr. Gregor Maria Hoff: Sakralisierung der Macht. Theologische Reflexionen zum katholischen Missbrauch-Komplex, Vortrag auf dem Studientag der Deutschen Bischofskonferenz am 13. 3. 2019 in Lingen, in: Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 13. 3. 2019

[viii] Frontalangriff auf die Sakramentalität der Kirche, Kommentar von Michael Krager zu Hubertus Lutterbachs Aufsatz in der Herderkorrespondenz 4/2020, in: Die Tagespost vom 30. 4. 2020

[ix] Marx weist Kritik aus Rom mit scharfen Worten zurück: FAZ vom 16. 9. 2019