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Der Synodale Weg zum BRUCH mit Bibel, Tradition und Lehramt (18)                    6.2.2023

Die synodalen Laien-Vertreter suchen den Splitter im Auge des Klerus ...

Angesichts des pandemischen Ausmaßes von Missbrauch in den westlichen Gesellschaften führt der Ansatz von der MHG-Studie und des Synodalen Wegs mit seinem Tunnelblick auf übergriffige Kleriker in die Irre. Der geweitete Blick der französischen Missbrauchsstudie CHIASE auf sexuelle Übergriffe von kirchlichen Laien-Mitarbeitern sowie die gesamtgesellschaftliche „Kinderschutzkatastrophe" eröffnet bei der Interpretation des Untersuchungsberichts aus Frankreich signifikante Unterschiede zu den klerus-fixierten Verengungen des deutsch-synodalen Weges:
• Auf die These der MHG-Studie vom Zölibat als möglicher Risikofaktor für sexuellen Missbrauch angesprochen, erklärt der Leiter der französischen Studie, Jean-Marc Sauvé, im Tagespost-Interview vom 4.11.2021: „Wir stellen in unserm Bericht klar, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen priesterlichem Zölibat und sexuellem Missbrauch gibt." Im Forumstext II des Synodalen Wegs wird dagegen gefordert, die Kirche müsse sich vom „zölibatären Zugangsweg zum Priesteramt" verabschieden. Allerdings gibt es für die synodale Begründungsbehauptung, der Zölibat habe definitiv zum sexuellen Missbrauch beigetragen, in der MHG-Studie keine Belege, sondern nur Fragestellungen.
• Nur „in einigen Fällen", so Sauvé, sei ein pervertierter Gebrauch der priesterlichen Weihevollmacht beobachtet worden. Diese Feststellung entspricht dem Ergebnis der MHG-Studie, nach dem ein geringer Prozentsatz der übergriffigen Kleriker ihre priesterliche Vollmacht missbrauchten. Die Kirche müsse bei der Priesterausbildung an diesem Komplex arbeiten. Der Synodale Weg dagegen stellt den Status des geweihten Priesters in Frage oder gar alle Priester unter einen „gesunden Generalverdacht" (Generalvikar Pfeffer von Essen). Auf diesem Hintergrund fand ein synodaler Antrag auf der letzten Plenarversammlung eine Mehrheit, über die Abschaffung des katholischen Priesteramts zu diskutieren.
• Aus dem spürbaren Misstrauen von deutschen Synodalen gegen zölibatäre Priester erwächst die Forderung: mehr Laien an die kirchliche Macht! Aus der Sauvé-Untersuchung ergibt sich aber eine große Missbrauchstäterzahl von Laien in kirchlichem Dienst – mit dem Resümee: „Offensichtlich ist die Ersetzung der Priester durch Laien keine wirklich wirksame Antwort. Außerdem gibt es, wie wir sehr gut wissen, sexuelle Übergriffe in allen sozialen Bereichen, in Schulen, im Sport, in Familien, in denen es keine Verpflichtung zum Zölibat gibt."
• Es ist die Grundthese der führenden DBK-Bischöfe Marx und Bätzing, dass hauptsächlich „systemische Gründe" für den sexuellen Missbrauch verantwortlich wären. Dazu berufen sie sich zu Unrecht auf die MHG-Studie. In seiner Ansprache beim Ad-limina-Besuch in Rom wollte Bischof Bätzing auch die französische CIASE-Untersuchung für seine unbelegte Systemschuldhypothese vereinnahmen. Doch in der gesamten Studie finden sich weder der Begriff noch der Sache nach entsprechende Ausführungen.
• In den deutsch-synodalen Texten wird unterstellt, dass auch die strenge biblisch-kirchliche Lehre zum Missbrauch beigetragen habe. Der französische Berichterstatter dagegen erklärt: „Missbrauch in der Kirche ist eine schwerwiegende Verletzung des göttlichen Gesetzes, der Botschaft des Evangeliums und der Stellung der Kinder im Evangelium." Aus diesem Ansatz ergibt sich die logische Folgerung, als Antwort auf Missbrauch von Klerikern und Laien die Erneuerung der Kirche durch Evangelisierung an erste Stelle zu setzen, was die Verantwortlichen des Synodalen Wegs mit fadenscheinigen Argumenten ablehnen.
• Die Deutsche Bischofskonferenz hat dem Synodalforum IV aufgegeben, eine völlig neue Konzeption der kirchlichen Sexualethik zu entwickeln. Dagegen Sauvé: „Im Hinblick auf die kirchliche Sexualmoral fordern wir keine ‚Tabula rasa', sondern ihre Ergänzung und Bereicherung." Er bemängelt aber an der katholischen Lehre, dass bei der Konzentration auf den Sünder und die Sünden gegen das sechste Gebot die Opferperspektive vernachlässigt werde: Sexuelle Übergriffe dürfen nicht als Kavaliersdelikte oder lässliche Sünden verharmlost werden, sie seien „Angriffe auf die physische und psychische Integrität der Person, Angriffe auf das Leben anderer."

Die Kirche ist keine Täterorganisation
• Ist die Kirche eine Täterorganisation, wie Bischof Bätzing sie genannt hat? Antwort: Die Kirche war oder ist kein „kriminelles Unternehmen". Aber die Kirche hat Fehler gemacht. Sie „räumte lange dem Schutz der Institution Vorrang vor dem Opferschutz ein. Sie war nicht in der Lage, die Warnsignale zu sehen oder wollte sie nicht sehen. Hier liegt sicherlich die Hauptverantwortung der Kirche."
Das Motiv Institutionenschutz ist aber als ein Reflex vieler Organisationen bekannt. So haben sowohl die Leitung als auch die Elternvertretung der Odenwaldschule noch in dem Jahrzehnt nach 2000 mit Hinweis auf den Imageschaden der renommierten Schule jede Öffentlichmachung des damals schon bekannten, mehrhundertfachen Schülermissbrauchs abgelehnt. Für die Kirche ist der Grundsatz des vorrangigen Institutionenschutzes vereinzelt bis in die 60er Jahre belegt. Jedoch war diese Maxime für die Bischöfe der Nachkonzilszeit nicht mehr handlungsleitend, wie die folgenden Ausführungen zeigen.

Bischöfliche Pflichtverletzungen statt institutioneller Schuld des Systems
Der Limburger Bischof Franz Kamphaus versetzte einen Priester zweimal in andere Pfarreien trotz vorliegender Missbrauchsvorwürfe. Dann ließ er ihn abschieben ins Heimatbistum, wo er weitere Missbrauchstaten verübte.
Das Treiben des pädokriminellen Serientäters Wolfdieter W. wurde durch laxe Ermittlungen und vertuschende Versetzungen verlängert. Das war kein systemischer Fehler, kein strukturelles Versagen oder institutionelle Schuld. Der Bischof hatte die Freiheit und auch die ethische Pflicht, ganz anders zu handeln. Daher nahm der emeritierte Franz Kamphaus die volle Verantwortung für sein persönliches Fehlverhalten im Dienst auf sich: „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Opfern wäre Missbrauch erspart geblieben."

Mangelhafte Wahrnehmung des Opferleids
Der als institutionenkritische Bischof Kamphaus hat mit Sicherheit nicht aus dem Motiv des Institutionenschutzes den Missbrauchstäter versetzt und abgeschoben. Es bleibt aber die Frage, warum ein so aufgeklärter Prälat wie Franz Kamphaus, der sich „im Einsatz für Menschenwürde und rechte von niemandem übertreffen ließ" (Daniel Deckers am 16. 4. 2019 in der FAZ), die Menschenwürde von Missbrauchsopfern so leichtfertig preisgab.
Der Limburger Bischof und seine Personaldezernenten konzentrierten sich wie alle anderen bischöflichen Kollegen auf die Delinquenten und wie man mit ihnen umgehen sollte. Bei diesem Verwaltungsvorgang kamen die Opfer nur schemenhaft in den Tatbeschreibungen vor. Kamphaus und manchem anderen Bischof gingen erst im Nachhinein die Augen auf, als sie die erschütternden Berichte von Opfern hörten oder lasen.
Wahrnehmung des Opferleids ist für die kirchliche Hierarchie eine Schlüsselerfahrung. Die Einbeziehung der Opferperspektive erfordert eine Neuorientierung der bischöflichen Verwaltung im Umgang mit Tätern. Der Perspektivwechsel muss unterfüttert werden mit einer neu zu erarbeitenden ethischen Ausrichtung der kirchlichen Lehre zu Sünden mit Folgen für andere: Bei gewalttätigem Vorgehen, mehr noch bei psycho-sozialer Bedrängung und sexuellen Übergriffen jeglicher Art gegen Kinder, Jugendliche oder andere Erwachsene müssen die Wirkungen auf die Integrität und Menschenwürde der verletzten Personen für die Einschätzung der Taten neues Gewicht bekommen (vgl. den vorletzten Punkt zum Sauvé-Interview). Beim Studium zu diesem Komplex ist aus der me-too-Debatte einiges zu lernen. Die Folgerungen aus dem Perspektivwechsel systematisch zu entfalten und entsprechende ethische Regeln zu formulieren ist der katholischen Moraltheologie aufgegeben.
Das sollte auch in dem zuständigen Synodalforum IV zumindest anvisiert werden. Doch dafür hat das Forum keinerlei Sensibilität und Interesse, obwohl sie den sexuellen Missbrauch in der Kirche stets als Begründung für ihre Forumsarbeit im Munde führen. Die Synodalen sind allein damit beschäftigt, tabula rasa bezüglich der katholischen Sexuallehre zu schaffen und darauf eine anders-katholische Neulehre anhand humanwissenschaftlicher Erkenntnisse zu entwickeln.
Die leitenden Moderatoren machen die Vision von einer „positiven Sicht der Sexualität" zum Eckpunkt ihrer Neukonzeption. Nach diesem Ansatz soll das Wort Sünde aus dem Zusammenhang mit sexuellen Dingen ausdrücklich entfernt werden. Alle Schattenseiten des sexuellen Begehrens müssen aus diesem schönen neuen Weltbild der positiven Sexualität (bei Laienkatholiken) retuschiert werden – bis auf den Sektor des sexuellen Missbrauchs von Geistlichen.

Generalverdacht der Laien gegen den Klerus...
Die Synodalen sind damit in die von den Medien bereitgestellte Falle getappt: Mit der Fokussierung auf übergriffige Kleriker durch die antikirchliche Skandalberichterstattung und später die MHG-Studie wurden alle anderen Missbrauchstäter vollständig ausgeblendet. Laien der Synodalversammlung stellen Bischöfe und Geistliche unter den (General-)Verdacht der Täterorganisation, während sie sich auf der anderen Seite sehen - als prinzipiell Unschuldige und Opfervertreter.
Es dürften aber in Deutschland analog zur französischen Studie Zehntausende von nicht-zölibatären Laien im kirchlichen Dienst für den Missbrauch von bis zu 150.000 Opfern verantwortlich sein. Darüber hinaus sind aufgrund der Hochrechnungen von Prof. Fegert bis zu 1.000.000 Laien-Katholiken zu Missbrauchstätern geworden als Väter und Mütter, Bekannte und Verwandte der Opfer, Vereinsvorständen, Sporttrainer, Pädagogen, Sozialarbeiter, Gruppenleiter, Therapeuten etc.

... aber Balken vor den Augen für Missbrauch der Laienkatholiken
Auf dem Hintergrund sind es die sprichwörtlichen drei Finger, die auf synodale Laienvertreter zurückweisen, während sie mit dem Zeigefinger im Empörungsgestus pauschal den Klerus denunzieren und das Priesteramt anklagen. Sie versichern sich untereinander ihrer Konsensmeinung, im Status des spezifisch katholischen sakramentalen Priestertums eine Ursache für Missbrauch zu sehen. Bei Laien wird dagegen kontrafaktisch eine Anfälligkeit für sexuelle Übergriffe ebenso pauschal gar nicht erst in Betracht gezogen, also verdrängt und totgeschwiegen.
Eine Rückbesinnung auf die Lehren des Evangeliums würde in diesem Fall heißen: Was sucht ihr Synodalen den Splitter im Auge des Klerus, wenn balkenweise Missbrauch in den Reihen der Laienkatholiken geschieht?
Doch gegenüber der Forderung nach dem Primat der Selbst- und Neuevangelisierung haben sich die ZdK-Führung zusammen mit den führenden DBK-Bischöfen schon 2019 ablehnend festgelegt: Zuerst sollten mit den Strukturreformen angebliche Blockaden beseitigt und der Synodale (Irr-)Weg zu Ende geführt werden, erst dann könnten die Lehren des Evangeliums wieder verkündet werden.
Kardinal Walter Kasper hat diesen Ansatz als häretisch eingestuft.

Hubert Hecker