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                                                                                            11.12.2023

Die alten trüben Quellen der neuen Sexualmoral des Synodalen Wegs

Kardinal Marx meinte kürzlich bei einer Ausstellungseröffnung, die Kirche hätte bisher „ein negatives Bild von der menschlichen Sexualität gezeichnet, was zu Verdrängung und Doppelmoral geführt“ habe. Alles Sexuelle sei zu einer „toxischen Wirklichkeit erklärt worden“, wo man eigentlich nur noch Sünden und Fehler begehen könnte. Laut Präambel hat sich der Synodale Weg darangemacht, die angeblich „lebensfeindliche Verengung der kirchlichen Sexualmoral“ zu überwinden und aus der Überschattung des Sündigen zu befreien. Nunmehr würde Sexualität ausschließlich als gute Schöpfungsgabe Gottes und positive Lebenskraft betrachtet. Der Triebcharakter des Sexuellen sowie das Luststreben einschließlich der Selbstbefriedigung sollten positiv gewürdigt werden, ergänzt der Synodaltext IV. Aus diesem Ansatz habe die Synodalversammlung (ohne Rück-Sicht auf Bibel und Tradition) eine „lebensdienliche Moral“ entwickelt, die sowohl die „gegenwärtigen Debatten“ widerspiegele als auch der „Menschenfreundlichkeit Gottes“ entspreche.

Im linksliberalen Strom der sexuellen Revolution

I. Die neuen synodalen Thesen von der lebens- und lustbejahenden Sexualität stehen offensichtlich im linksliberalen Strom der sexuellen Revolution seit den spätsechziger Jahren. Einer der lautstärksten Propagandisten von normfreier Sexualität war Helmut Kentler. Er und sein Schüler Uwe Sielert interpretierten die Sexualität als positive „Kraftquelle für Lebensmut“. Die sexuellen Triebenergien sollten grenzenlos ausgeschöpft werden zur größtmöglichen Luststeigerung. Durch frühe sexuelle Betätigung würden Kinder und Heranwachsende die etablierten Normen aufbrechen und damit zu befreiten Individuen heranwachsen. Diese sogenannte „neo-emanzipatorische Sexualpädagogik“ beherrscht heute die staatlichen Sexualerziehungsprogramme, an der sich die synodal-kirchlichen Gremien orientieren.

Auf die normbefreite Sexualität durch die 68er Linken folgte das Problem der sogenannten „ungewollten“ Kinder. Daher forderte eine Phalanx von linksliberalen Gruppen Anfang der 1970er Jahre die Abschaffung des Paragrafen 218. Erstmals hatte Lenin in Sowjetrussland 1920 freie selbstbestimmte Abtreibungen auf Staatskosten erlaubt. 1972 führte die kommunistische Regierung der DDR gesetzlich ein „Recht auf Abtreibung“ in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft ein. Die sozial-liberale Brandt-Regierung der BRD folgte diesem Ansatz 1974. Das damalige Fristenregelungsgesetz wurde aber vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben mit der grundrechtlichen Begründung:

„Der Lebensschutz der Ungeborenen genießt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren.“

Heute vertritt die Co-Präsidentin des Synodalen Wegs, Irme Stetter-Karp im Namen des ZdK und vieler Synodalen die gegenteilige, grundrechtswidrige Position: Wenn sie unbedingte Akzeptanz für die ‚selbstbestimmte Entscheidung zur Abtreibung‘ nach Beratung fordert, stellt sie das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren über den Lebensschutz und das Grundrecht auf Leben der ungeborenen Kinder. Als Folge ihres lebensfeindlichen Ansatzes fordert Stetter-Karp ein „flächendeckendes Angebot“ von Abtreibungskliniken.

II. Neben der skizzierten linksliberalen Tradition fließen in den sexualpolitischen Ansatz des Synodalen Wegs, wie ihn Kardinal Marx skizziert hat, auch Strömungen rechter Provenienz ein.

Die rhetorische Frage seit 1933: ‚Kann denn Liebe Sünde sein?‘

Die Synodalen des Forums IV haben sich nach Bernhard Meuser auf einen Modernitätsgrundsatz geeinigt: „Wir werden niemals wieder etwas Sexuelles in Verbindung mit der Sünde bringen“. Denn das Dogma der Moderne lautet: Sex ist niemals Sünde! Entsprechend verbreiten der BDKJ und manche Pfarrer auf Bannern die Parole: „love is no sin“.

Der Ursprung dieser Formel von der sündenlosen Lust in jedweder Sexualbeziehung liegt in einem Lied aus dem deutschen Film ‚Blaufuchs‘ von 1938. Die rhetorische Frage im Refrain: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ entsprach dem damals verbreiteten Lebensgefühl und auch der Sexualdoktrin der NS-Herrscher.

Die Deutsch-Amerikanerin Dagmar Herzog hat in ihrem Buch: ‚Die Politisierung der Lust‘ auf den Seiten 15 bis 82 mit zahlreichen Belegen nachgewiesen, dass die gängigen Vorstellungen von der NS-Sexualpolitik als lustfeindlich, sexualitätsunterdrückend und prüde nicht zutreffen. Im Gegenteil hätten die Nationalsozialisten die links-liberalen Tendenzen der Sexualpolitik in der Weimarer Zeit fortgeschrieben, ausgeweitet und intensiviert (S.22).

Frühsexualisierung in der Hitlerjugend

Schon 1934 gab ein Handbuch den NS-Führerinnen im ‚Bund Deutscher Mädel‘ (BDM) die Anweisung, die ihnen anempfohlenen jungen Mädchen zum vorehelichen Geschlechtsverkehr zu ermutigen. Zu Dresden vermerkte der deutsche Schriftsteller Victor Klemperer in seinem Tagebuch, dass die „Krankenhäuser übervoll sind, nicht nur von schwangeren, sondern auch von tripperkranken fünfzehnjährigen Mädchen“ (Tagebücher Band I, S. 224f). Nicht ohne Grund erklärte der Volksmund das Kürzel BDM mit „Bubi Drück Mich“.

1937 hieß es in den Deutschlandberichten der Exil-SPD über die Hitlerjugend: „Promiskuität ist der tatsächlich akzeptierte Zustand.“ Der exilierte deutsche Soziologe Herbert Marcuse notierte damals, dass die Effektivität des Nationalsozialismus auch auf der Abschaffung der Tabus zur Sexualität, dem Angriff gegen die Einehe und die „Emanzipation des Sexuallebens“ beruhe.

Viele NS-Ärzte begrüßten die sexuelle Freizügigkeit auch bezüglich außerehelicher Beziehungen sowie die Erleichterung von Scheidung. Der nationalsozialistische Arzt Walter Gmelin bezeichnete voreheliche Geschlechtskontakte im Jahr 1936 als eine „gesunde Reaktion gegen Moralprediger“, wenn die jungen Leute „im geschlechtsreifen Alter den ihnen von der Natur mitgegebenen Trieb befriedigen“. Der von ihm konstruierte Gegensatz zwischen unberechtigter Moral und berechtigender Natur wurde in weiteren nationalsozialistischen Schriften zugespitzt.

Ungehemmte Betätigung der Sexualität als naturgewollte Erfüllung des menschlichen Daseins

Die NS-Autoren lehnten die christliche Moral ab, zugleich erhoben sie Sexualität in den Rang des Religiösen: Es sei ein „Heiliges, ein Großes um den naturgewollten, spontan auf Betätigung drängenden Geschlechtstrieb“, erklärte der nationalsozialistische Arzt Carl Csallner in der schwülstigen NS-Diktion und vergöttlichte so die Naturkräfte. Nur „widernatürliche Scheinheiligkeit“ und „pfäffische Heuchelei“ könnten sie als Sünde herabwürdigen. „Die Liebe ist das einzig wahre religiöse Erlebnis der Welt“. 

Die Historikerin Dagmar Herzog hält die „gezielte Sakralisierung von Liebe und die Heiligung von sexueller Leidenschaft“ gar für das „Kernstück der NS-Sexualberatungsschriften“. Mit Recht verurteilte die Kirche den Versuch, die natürliche Sexualität als säkulare Ersatzreligion hochzustilisieren.

Die Nationalsozialisten stellten der kirchlichen Lehre eine mythologisierte Sexualität entgegen. In einer großen Ausstellung zu Geschlecht und Rasse von 1935 wurde die katholische Marienlehre gezielt verhöhnt: „Unbefleckt und heilig ist die Empfängnis aus würdiger Liebe – unbefleckt und heilig ist die Geburt wohlgearteten Lebens.“

Besonders die SS-Zeitschrift „Das schwarze Korps“ bemühte sich, die kirchliche Moral lächerlich zu machen. Sie bezeichnete die „Heiligkeit der Ehe“ als „artfremdes“ Konzept, „um das starke und lebensfreudige Germanentum zu schwächen“. Das Christentum sei mit seiner Moral eine altmodische, lebensfremde und lebensfeindliche Religion. Dagegen sah die NS-Bewegung in der ungehemmten Betätigung der Sexualität die naturgewollte Erfüllung des menschlichen Daseins.                                              

Viele kirchliche Autoren wehrten sich gegen die neuheidnische Sexualreligion. So warnten süddeutsche Bischöfe vor den „falschen Propheten“, welche Ehe und Familie unterminierten.  Der gelehrte Trierer Priester Matthias Laros prangerte in einer Seelsorgeschrift die „Verwilderung und Überreizung des sexuellen Lebens“ an: „Die Überbetonung des Sinnlich-Sexuellen hat das ganze öffentliche und private Leben ergriffen.“

Diese Tendenz zeigte sich in den NS-Medien auch durch eine Flut von Nacktbildern. Ein Zehntel der Bilder in den jährlichen Kunstausstellungen waren hyperrealistische Nacktdarstellungen von Künstlern, die als „Meister des deutschen Schamhaares“ oder „Unterleibl“ verulkt wurden. Illustrierte Zeitschriften zeigten seitenweise Leichtgeschürzte und Nacktbilder im Stil von Frei-Körper-Kultur-Kitsch. NS-Organisationen publizierten Aktfoto-Kalender in hohen Auflagen. Zeitschriften wie ‘Das schwarze Korps’ und ‘Der Stürmer’ gefielen sich in Detailfreude bei der Schilderung von Sexualverbrechen, um den Voyeurismus anzuheizen. 

Die Propaganda für vorehelichen Geschlechtsverkehr ging einher mit der Propagierung von Kondomen, deren Gebrauch das führende NS-Handbuch für Sexualberatung als „beste Lösung“ für die Frühsexualisierung empfahl. Zeitzeugen zufolge waren Kondome im Dritten Reich „im Überfluss“ zu haben – „in Verkaufsautomaten an Bahnsteigen ebenso wie in öffentlichen Toiletten“.             

Während des Zweiten Weltkrieges rissen die Nationalsozialisten alle Schranken für sexuelle Triebbefriedigung ein. Jeder Soldat erhielt pro Monat zwölf Kondome für außereheliche Sexualkontakte in den örtlichen sowie den von der Wehrmacht eingerichteten Bordellen. Die Förderung sexueller Orgien war von der NS-Führung als Lohn und Stimulierung für die kämpfenden Truppen gedacht: „Für sexuelle Befriedigung zu sorgen, muss eines unserer wichtigsten Propagandainstrumente sein. Ich werde keinem meiner Jungs den Spaß verderben“ – so Adolf Hitler.

Die nationalsozialistische Propaganda redete von der naturgewollten Betätigung des Geschlechtstriebs, von sündenlosem Spaß bei jederart sexueller Befriedigung, die zugleich lebensdienlich wäre für das tatfreudige Deutschtum.

Diese Grundzüge der liberalen NS-Sexualpolitik zeigen eine überraschende Ähnlichkeit mit den synodalen Thesen von der positiven Triebkraft der Sexualität, der Befreiung zu Lustbejahung und zu lebensdienlicher Sexualmoral. Auch die Kritik an der „lebensfremden“ Sexuallehre der Kirche sowie deren angebliche Doppelmoral finden sich in beiden Systemen.

Der Synodale Weg schmuggelt blindlings säkulare Sexualitätstheorien in die Kirche ein

III. Wie konnte es dazu kommen, dass die Mehrheit der deutschen Synodaldelegierten und Bischöfe einer säkularen Sexualethik applaudiert, die sich aus den trüben Quellen linker und rechter Provenienz speist?

Schon 2019 trafen das Präsidium des Synodalen Wegs unter dem Co-Vorsitz von Kardinal Marx sowie das Synodalforum ‚Sexualethik‘ unter der Co-Leitung von Bischof Bätzing eine fatale Richtungsentscheidung:
• Sie wollten sich nicht an der biblischen Lehre von Liebe und Ehe orientieren.
• Sie entschieden sich gegen die frühchristliche Praxis, alle säkularen Strömungen im Lichte des Evangeliums zu prüfen und ggfs. zu verwerfen.
• Sie schoben das christliche Menschenbild beiseite.
• Sie lehnten es ab, auf dem „Mutterboden der kirchlichen Lehre“ die katholische Sexualethik weiterzuentwickeln wie etwa Papst Johannes Paul II. mit seiner „Theologie des Leibes“.

Die präsidierenden Bischöfe wollten dagegen eine völlig neue Sexualethik schaffen, orientiert allein an „neueren Erkenntnissen im Lichte der Humanwissenschaften“. Aber die säkularen Sexualtheorien stehen nicht im zeitgeschichtlichen Vakuum, sondern beziehen sich auf zweifelhafte frühere Quellen, wie oben gezeigt.

Neuere sexologischen Wissenschaftserkenntnisse reduzieren Liebe/love auf sexuelles Begehren und seine Erfüllung im sexuellen Lusterlebnis einschließlich des self-sex. Genau diese hedonistische „Rehabilitierung“ der Lust stellt das Synodalforum IV in den Mittelpunkt seiner neuen Sexualmoral. Auf der ego-bezogenen Basis werden der Sexualität dann weitere optionalen Wirkweisen zugeordnet wie die Identitätsfunktion, die Beziehungs- und Fortpflanzungsfunktion.

Die säkulare Theorie von der Fraktionierung oder Zerstückelung des Wertgefüges der menschlichen Liebe ist himmelweit entfernt von dem ganzheitlich-personalen Ansatz etwa der Theologie des Leibes von Papst Johannes Paul II. Was dort als „gegenseitiges Schenken und Empfangen von Liebe“ im Zentrum steht, wird in der neu-kirchlichen Lehre des Synodalen Wegs zum Ratschlag für Beziehungspflege degradiert.

Bernhard Meuser spricht von einem Masterplan Gottes für die Hierarchie oder Reihenfolge der sexuellen Sinnwerte: ‚Am Anfang und über allem steht die Liebe als christliches Wesensmerkmal für jede sexuelle Beziehungsaufnahme, daraus folgt das „Für immer“- Versprechen der Treue, dann ist das Nest gegeben für die lustvolle Vereinigung „im Fleisch“, dann kann das Kind kommen und in der Liebe von Vater und Mutter selbst zu einem liebenden Menschen heranwachsen.‘

Nur diese kirchliche Lehre ist biblisch-katholisch. Punkt.  

Hubert Hecker