Die Auferstehung Christi
und die moderne Naturwissenschaft
Inge M. Thürkauf
Zentraler Inhalt der christlichen Lehre ist der Glaube an die wirkliche und leibhaftige Auferstehung des gekreuzigten Jesus. Aber gerade dieses „Heiligtum unseres Glaubens“ (Augustinus) wird nicht nur entweiht, sondern in der modernen Exegese sogar geleugnet, ungeachtet der Bekenntnisse ungezählter Heiligen, die sich ausnahmslos zum Ostergeheimnis bekannt haben. Diese oft peinlich zu nennende Wunderkritik hat ihre Ursache: Es ist die Wissenschaftsgläubigkeit vieler – sogar namhafter Theologen – die die Wunder ablehnen, da sie meinen, daß eine Durchbrechung der Naturgesetze nicht möglich sei. Aber es gibt offensichtliche und spektakuläre Ereignisse von Wundern, wie z.B. die spontane Heilung des Benediktinerbruders Leo Schwager aus dem Benediktiner Kloster Uznach in der Schweiz, der am 30. April 1952 in Lourdes in Gegenwart einer großen Menschenmenge von einer Sekunde zur andern nach dem Segen des Erzbischofs mit dem Allerheiligsten von "Multipler Sklerose im Endstadium" geheilt wurde. Naturwissenschaftlich ist dieses Wunder selbstverständlich nicht zu erklären.
Um einen naturwissenschaftlichen Beweis dieser Heilung von Bruder Leo erbringen zu können, hätte der ganze Vorgang beliebig mal wiederholt werden müssen, und zwar als systematisch-reproduzierbares Experiment. Bruder Leo, ein weiteres Mal todkrank auf seinem Pritschenwagen, wäre nach dem Segen gesund vor dem Erzbischof gelegen. Doch die Frage nach dem Wie der Heilung bliebe den Wissenschaftsgläubigen in jedem Fall ungeklärt, denn daß es nicht der Herr im Heiligsten Sakrament gewesen sein könne, würde für sie unverrückbar feststehen. So bleibt auch hier nur wie so oft der "Gott" Zufall.
Wir können bei dieser seit Jahrzehnten endloswährenden Auseinandersetzung sehen: Wenn Religion und Wissenschaft sich widersprechen, müssen wir erkennen, daß eine Wissenschaft, die dem Wort Gottes widerspricht, keine Wissenschaft, sondern – wie Max Thürkauf sie nennt – bloße Wisserei ist. Tragischerweise haben die Erfolge der modernen Naturwissenschaft bei den Nicht-Naturwissenschaftlern das Verlangen erweckt, sich auch in diesem Rampenlicht zu sonnen, vor allem wurden Theologen und Priester anfällig für den Glauben an die Wissenschaft, mit großem Erfolg, wie die Entmythologisierung der Evangelien beweist. Sie begründeten eine Theologie des Zumutbaren – in Anlehnung an die Naturwissenschaft theologia experimentalis genannt. Daß dies keine christliche Theologie sein kann, liegt auf der Hand, denn das Christentum ist für jene, die Zumutbarkeit fordern, etwas vom Unzumutbarsten, das es gibt. Die von Christus geforderte bedingungslose Liebe bis hin zur Feindesliebe war von Anbeginn „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.“
Vom gesunden Menschenverstand aus gesehen ist es natürlich unhaltbar anzunehmen, daß Wunder irgendetwas mit elektrischem Licht oder mit Naturwissenschaft zu tun haben. Die Naturwissenschaft kann mit ihren Methoden Wunder weder beweisen noch widerlegen, da ihr Erfahrungsbegriff ein anderer ist als jener der Theologie, die offen ist für die Wundertaten Gottes. Die Theologie rechnet sogar mit dieser Möglichkeit – oft gegen jede Hoffnung.
Worauf also beruhen dann die Wunder? Die Antwort ist so schlicht, daß sie den wissenschaftsgläubigen Theologen kaum zugemutet werden kann: denn die Wunder beruhen darauf, daß Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen hat. Und weil er sie aus dem Nichts erschaffen hat, muß er die Welt – wie Walter Hoeres dies mit der ihm eigenen Anschaulichkeit zu schildern versteht – so lange über dem Nichts halten, wie sie existiert. Er muß also im Innersten mit den Geschöpfen mitwirken. Darauf beruht nun die Möglichkeit, daß er jederzeit, wenn er es für angemessen hält, irdische Erscheinungen aufhalten kann. Damit ein Wunder geschehen kann, muß Gott mitwirken. Auch hier gilt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Jo 15,5). Auf der Logik des Schöpfungsgedankens also beruht die Möglichkeit der Wunder. Diese Weisheit ist in der modernen Theologie verloren gegangen, der 2000jährigen Tradition der Kirche ist dies aber bekannt.
Wenn es sich so verhalten hätte wie die Entmythologisierungstheologen meinen, würde es diese Theologen gar nicht geben. Denn für diese dialektische Relativierung der Auferstehung des Herrn wäre niemand gestorben, und das bedeutet: es hätte keine Märtyrer und somit kein Christentum gegeben. Der englische Kulturphilosoph C.S. Lewis hat sich zu diesen ‚Relativitätstheologien‘ in folgendem Sinn geäußert: Jetzt mußten wir armen Christen nahezu zweitausend Jahre glauben, Christus sei von den Toten wahrhaft auferstanden, bis uns endlich ein Herr Professor belehrt, daß das bloß als eine Metapher für das immer wiederkehrende Leben zu verstehen sei.
Die Wahrheit des Wunders der Auferstehung Christi war bis zur Aufklärung eine selbstverständliche Tatsache. Durch die Ersatzreligion Naturwissenschaft begann man die Wunder zu bezweifeln. Wenn man ein Wunder als ein Ereignis definiert, das physikalisch-chemisch nicht erklärbar ist, so besteht zwischen der Geburt des Lazarus und seiner Auferweckung (durch Christus) oder zwischen der alljährlichen Brotvermehrung auf den Kornfeldern und der Brotvermehrung des Herrn in der Wüste kein Unterschied. Beide Wunder, das eine als Schöpfungstat Gottes, das andere als Eingriff Gottes in die Schöpfung, sind wissenschaftlich nicht erklärbar. „Das Wunder der Brotvermehrung auf den Kornfeldern wird uns bewußt werden, wenn der Hunger in unsere verbetonierten Länder einkehrt und keine Wissenschaft uns Brot zu geben vermag“ (Max Thürkauf).
Anmerkung der Redaktion:
Max Thürkauf (1925 – 1993), Gatte der Autorin Inge M. Thürkauf, war während Jahren Leiter des Instituts für physikalische Chemie an der Universität Basel.
1967 erfolgte sein Rücktritt aus Gewissensgründen im Hinblick auf die Zerstörung der Welt durch die maßlose Anwendung technischer Möglichkeiten auf das Leben. Danach umfasste seine akademische Lehr- und Forschungstätigkeit erkenntnistheoretische, philosophische und theologische Fragen der modernen Naturwissenschaft. Seine umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit war ein Kampf um die Würde des Menschenbildes, das durch den naturwissenschaftlichen Materialismus zerstört wurde, ein Plädoyer für eine Naturwissenschaft, die die Gesetze des Lebens berücksichtigt und die Gebote Gottes zur Grundlage allen Forschens werden lässt.