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Prof. Dr. Rüdiger Jacobs

 Die Kirche als Hure des Zeitgeistes: Bischof Bätzings Verständnis von Kirche

 

 Am 15. März 2021 hat die Glaubenskongregation im Vatikan der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eine klare Absage erteilt. Gegen diese Auffassung wendet sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing in einem vom Bistum Limburg am 24. März veröffentlichten Interview. Die Argumentation von Bischof Bätzing ermöglicht dem Leser einen guten Einblick in dessen Verständnis von katholischer Glaubenswahrheit.

 Gleich zu Beginn seines Interviews konstatiert Bätzing, dass das Dokument des Vatikans „in der Breite nicht mit einer Akzeptanz und einer entsprechenden Befolgung rechnen“ könne. Denn „ein Dokument, das sich in seiner Argumentation so eklatant einem Erkenntnisfortschritt theologischer und humanwissenschaftlicher Art verschließt, wird dazu führen, dass die pastorale Praxis darüber hinweggehen wird.“

 In dieser Aussage sind gleich zwei „eklatante“ Verstöße gegen das katholische Selbstverständnis enthalten.

 1. Wenn Bätzing zum einen von einem „Erkenntnisfortschritt theologischer Art“ spricht, verkennt er, dass es einen solchen „Erkenntnisfortschritt“ für evidente Glaubenswahrheiten in der katholischen Kirche niemals geben kann. Die Glaubenswahrheiten der katholischen Kirche sind von Anfang an gültig, zeitlos und stets aktuell. Wenn also die Aufnahme Mariens in den Himmel erst 1950 formuliert wurde, so bedeutet dies nicht, dass dieser Glaubensgrundsatz zuvor keine Gültigkeit besaß und erst im Zuge eines „Erkenntnisfortschritts“ – ggf. in Umkehr vorheriger Ansichten – zur Wahrheit wurde, sondern dass er vielmehr schon immer galt, jetzt aber erst seine Festschreibung fand. Ein Widerspruch zu früheren Ansichten ist demnach niemals gegeben. Wie aber verhält es sich mit der Segnung homosexueller Paare?

 Von Anfang an hat das Christentum – aus den Wurzeln des Judentums schöpfend – Homosexualität bzw. daraus resultierende Handlungen als Sünde empfunden. Ausgehend von Lev. 18,22 (wo entsprechende Handlungen sogar mit der Todesstrafe belegt sind) über 1 Kön 15,12; 2 Kön 23,7 bis hin zu Mk 7,21, weiter zu den Paulusbriefen Röm 1, 24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1, 8-10 etc. etc. ist dieser Grundsatz immer wieder bezeugt. Als einzig gottgewollter Akt der Schöpfungsordnung wird darin allein die Weitergabe der Fruchtbarkeit durch Mann und Frau festgeschrieben. Nur so lässt sich das Leben nach göttlicher Bestimmung erhalten und fortführen. Dieser Grundsatz findet sich nicht nur in den Heiligen Texten, sondern lässt sich für jeden aufgeschlossenen Christen als Abbild des göttlichen Willens in der Natur erkennen. Vor diesem Hintergrund erhält die Ehe zwischen Mann und Frau eine herausragende Bedeutung, auch für die Kirche. Dies war schon immer so und wird sich niemals ändern, weil es im Schöpfungsplan Gottes, an den ein Bischof zu glauben verpflichtet ist, zu den Grundbedingungen des Lebens gehört. Woran also soll nun der „Erkenntnisfortschritt theologischer Art“ in diesem Punkt bestehen, den Bischof Bätzing vollmundig postuliert? Eher ist doch das Gegenteil der Fall: Die Segnung homosexueller Partnerschaften führt zurück in die Barbarei heidnischer Völker. Sie spottet dem Schöpfungswillen Gottes und relativiert die Ehe, ihre Besonderheit und ihrem von Gott gewollten Alleinstellungsmerkmal – auch wenn Bischof Bätzing das in seinem Interview immer wieder schönredet.

 Die Erkenntnis, dass nur die Verbindung von Mann und Frau das von Gott geschaffene Leben hervorbringen und weitergeben kann bzw. soll, ändert übrigens auch nichts an dem postulierten „Erkenntnisfortschritt humanwissenschaftlicher Art“. Jeder in dieser „Wissenschaft“ unternommene Versuch das Prinzip des Lebens zu leugnen, trägt dazu bei die göttliche Schöpfungsordnung zu konterkarieren und lächerlich zu machen. Aus katholischer Sicht sind solche ideologisch motivierten Sichtweisen, die sich vordergründig einen wissenschaftlichen Anschein geben, strikt abzulehnen.

 2. Zum anderen spricht Bätzing in seinem Interview davon, dass das Vatikanpapier „nicht mit einer Akzeptanz und einer entsprechenden Befolgung rechnen“ könne. Es werde vielmehr „dazu führen […], dass die pastorale Praxis darüber hinweggehen wird.“ Starke Worte! Unwillkürlich denkt man an die Zeit der Reformation, in der Luther ähnliches behauptete und eine Befolgung von Anordnungen aus Rom für sich und seine pastoralen Kollegen ablehnte.

 In diesen Zusammenhang passt auch die Äußerung von Georg Bätzing, wonach eine „Veränderung kirchlicher Lehre […] bekanntermaßen durchaus möglich ist und vielfach stattgefunden hat.“ Abgesehen davon, dass dies blanker Unsinn ist – die Glaubenslehre ist von Anfang an stets aktuell und zeitlos gültig; Brüche finden in der Lehre niemals statt – erinnert die Sichtweise schon wieder an das reformatorische Postulat der „ecclesia semper reformanda“. Auch dieser Topos wendet sich gegen die Auffassung katholischer Dogmatik.

 Interessant ist dies vor allem deshalb, weil Bätzing in seinem Interview diese Falschaussage später noch einmal wiederholt: „Ich bin jedoch zutiefst davon überzeugt, dass die katholische Sexuallehre einer Weiterentwicklung im Lichte der seit Jahrzehnten vorliegenden humanwissenschaftlichen und theologischen Erkenntnis bedarf. Veränderungen gehörte schon immer zum Wesen der Kirche. Wer sie verweigert, der gefährdet die Einheit der Kirche.“ Auch die permanente Widerholung von Irrtümern macht diese nicht zur Wahrheit. Eine Weiterentwicklung der katholischen Sexuallehre im Lichte eines theologischen Erkenntnisfortschritts ist, wie oben dargelegt, nicht möglich, da Gott das Prinzip der Schöpfungsordnung für alle Ewigkeit festgeschrieben hat. Hier würde weder ein „theologischer Erkenntnisfortschritt“ nützen (wenn es diesen gäbe) noch eine Veränderung der Sichtweise der Kirche in zentralen Glaubensgrundsätzen (wenn dies möglich wäre).

 In diesem Kontext nun zu behaupten, die Verweigerung eines solchen unmöglichen Erkenntnisfortschritts führe zur Spaltung der Kirche, setzt dem geäußerten Unsinn die Krone auf: Nicht die Akzeptanz schöpfungswidriger Praktiken, die eine Segnung homosexueller Partnerschaften impliziert, führt zur Spaltung der Kirche, sondern das Beharren auf häretischen Ansichten. Georg Bätzing, der mit seinen Äußerungen offen den Abweg der Häresie beschreitet, wird mit seinen Ansichten die Einheit der Kirche zerstören – und nicht die von ihm verächtlich beäugten Bewahrer katholischer Glaubenswahrheiten. Rom kann sich nicht über die ewigen Gesetzte Gottes hinwegsetzen und diese leugnen, ein Bischof von Limburg eigentlich auch nicht.

 Insofern führt Bätzings Wahlspruch: „Congrega in unum“ – „Führe zusammen“ eher zum Gegenteil dessen, was es vorgibt zu wollen. „Divide ecclesiam“ – „Trenne die Kirche“ müsste der Wahlspruch korrekter heißen. Aber wie oft wird eine Lüge bemüht, um das Falsche zu erreichen – und: Hat nicht auch schon Satan nach diesem Prinzip gearbeitet?

 Im Grunde sollte die Kirche – gerade in einer Demokratie – Korrektiv sein gegen die gottlosen, materialistischen Ideologien des Staates. Ein System, in dem die Religion keinen Stellenwert besitzt, in dem sämtliche metaphysischen Werte geleugnet und Gott zu einem Hirngespinst erklärt wird, muss von der Kirche kritisch beobachtet und auf Distanz gehalten werden. Die Kirche sollte hier wie ein Fels in der Brandung die Sittlichkeit einklagen, nicht der Verkommenheit eines liberalistischen Zeitgeistes hinterherjagen. Doch wie liest sich das Statement Bätzings? Mit seiner Forderung: „Wir brauchen eine Neubewertung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und eine Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral“ macht sich Bätzing stattdessen zum Sprachrohr einer sittenlosen, gottfernen Ideologie. Er versucht die staatliche Ideologie der Verderbtheit in die Kirche hinein zu holen und diese theologisch zu legitimieren. Die Kirche als Hure des Staates, als Hure Babylon – auch dies übrigens eine Sichtweise der Reformation!

 3. Als besonders perfide mag gelten, dass Bätzing mit seiner Forderung versucht die vom Atheismus gespeiste perverse Ideologie des Staates über den synodalen Weg in die Kirche zu holen. Beim Reformdialog Synodaler Weg werde es, wie er sagt, in Fragen der Sexualethik auf jeden Fall „zu Beschlüssen kommen“. Dass diese Beschlüsse genuin gegen die Lehre der katholischen Kirche stehen, ist evident. Als Grund für seine Anbiederung an die staatlich-liberalistischen Ideologien nennt Bätzing übrigens den – für ihn „eklatant“ erkennbaren – „Autoritätsverlust“ der Kirche in Fragen von Sexualität und Partnerschaft. Um diesen abzuwehren, müsse den Forderungen der Kirchenreformer nachgegeben werden. Im Klartext: Bischof Bätzing ist offen dazu bereit die Häresie im Heiligen Raum der Kirche zu entfalten, um sich den verblendeten „Gläubigen“ anzubiedern. Er ist bereit Gott Spielball ideologischer Abartigkeiten zu machen, um auf der Welle des nihilistischen Zeitgeist mitzusegeln. Doch wie heißt es so schön: „Wer mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Jesus jedenfalls ging nicht mit der Zeit; seine Lehre eckte an, weil sie die ewige Wahrheit Gottes verkündete.

 So wäre es auch die Aufgabe der Kirche und seiner Diener. Ein wenig mehr Rückgrat und Prinzipientreue würde dem Oberhirten aus Limburg daher gut zu Gesicht stehen. Auf diese Weise könnte er die Kirche, die er (noch?) vertritt, gewiss auch glaubwürdiger machen. Ein Autoritätsverlust wäre unzweifelhaft abwendbar. Stattdessen provoziert Bätzing mit seiner Sichtweise – die durchaus apostatische, ja schismatisch Züge trägt – den diagnostizierten Autoritätsverlust und die Relativierung kirchlicher Glaubensgrundsätze bis hin zu deren Auflösung.

 4. Zusammenfassend lassen sich in besagtem Interview vom 24. März 2021 mithin 10 überaus problematische Aspekte herausarbeiten, die an der Glaubenstreue Bischof Bätzings zweifeln lassen.

  Seine irrigen Behauptungen im Einzelnen:

  • Es gibt einen Erkenntnisfortschritt theologischer Art hinsichtlich unanfechtbarer Glaubenswahrheiten.
  • Es gibt einen ideologiefreien, dem göttlichen Schöpfungsplan entsprechenden humanwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt, der für die Kirche maßgeblich ist.
  • Es muss akzeptiert werden, dass die pastorale Praxis über Glaubenswahrheiten hinweggeht und Glaubenswahrheiten nicht zwingend mit einer Befolgung zu rechnen haben.
  • Es ist nicht notwendig, dass Bischöfe für die Einhaltung und Befolgung der Glaubenswahrheiten sorgen müssen. Entscheidend ist allein die libertär geprägte Auffassung von Laien (hier von „Gläubigen“ zu sprechen, wie Georg Bätzing es tut, ist eher ein Euphemismus, denn Glaube setzt immer auch die einsichtige Bejahung von Glaubenswahrheiten voraus).
  • Die Kirche braucht eine „Neubewertung“ gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und eine „Weiterentwicklung“ der kirchlichen Sexualmoral.
  • Es hat schon immer Veränderungen kirchlicher Lehre gegeben; diese sind „durchaus möglich“ und haben „vielfältig stattgefunden“ – auch in Dingen, die Glaubenswahrheiten widersprechen. Solche „Veränderungen haben schon immer zum Wesen der Kirche gehört.“
  • Eine Weigerung der Akzeptanz von Veränderungen im Sinne häretischer Postulate „gefährdet die Einheit der Kirche“.
  • Mit der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird die in der Bibel explizit hervorgehobene Stellung der Ehe in keiner Weise relativiert.
  • Bei Fragen zu Sexualität und Partnerschaft gibt es einen „Autoritätsverlust“ der Kirche, wenn das biblisch verankerte Gebot des göttlichen Schöpfungsplans eingefordert wird.
  • Beim Synodalen Weg wird es in Fragen der Sexualethik „zu Beschlüssen kommen“, um auf diese Weise mit häretischen Forderungen auf die Kirche einzuwirken und die Kirche in diesem Sinne zu verändern.