Mariä Himmelfahrt (15. August 2024)
Prof. Dr. Hubert Windisch
* Es gibt vier Mariendogmen: aus den ersten Jahrhunderten der Kirche ihre Gottesmutterschaft (431) und ihre Jungfräulichkeit (schon im NT und in alten Taufformel formuliert), ihre unbefleckte Empfängnis vom 8. Dezember 1854 und ihre leibliche Aufnahme in den Himmel vom 1. November 1950. Freilich sind die beiden jüngsten Mariendogmen auch schon in der alten Kirche in Ost und West bekannt und liturgisch gefeiert. Am heutigen Festtag bringt die katholische Kirche verbindlich ihren Glauben zum Ausdruck, dass Maria im Augenblick ihres Todes nicht nur mit der Seele, sondern bereits auch mit dem Leib in den Himmel aufgenommen ist. Was ist daran Besonderes, werden manche etwas vorschnell sagen; es gibt doch viele Heilige, die bei Gott sind, und auch von unseren lieben Verstorbenen hoffen wir, dass sie bei Gott sind oder doch nach einer Zeit der Läuterung zu ihm kommen dürfen.
* O ja, Maria ist etwas Besonderes widerfahren. Denn nach katholischer Lehre (vgl. KKK 997) fällt „im Tod, bei der Trennung der Seele vom Leib, … der Leib der Verwesung anheim, während die Seele (des Menschen) Gott entgegengeht und darauf wartet, dass sie einst mit ihrem verherrlichten Leib wiedervereint wird. In seiner Allmacht wird Gott unserem Leib dann endgültig das unvergängliche Leben geben, indem er ihn kraft der Auferstehung Jesu wieder mit unserer Seele vereint.“ Es gibt also für alle Verstorbenen, besser gesagt für die Seelen aller Verstorbenen einen Zwischenstatus bis ans Ende der Zeit. Während die Wiedervereinigung der Seele mit dem Leib für alle erst am Letzten Tag geschieht, geschah sie bei Christus schon am Ostermorgen, und sie ist – so glauben und feiern wir heute – auch schon bei Maria erfolgt, da sie „nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht“ wurde (KKK 966). In der Präfation werde ich deshalb beten: „Heute hast du die jungfräuliche Gottesmutter in den Himmel erhoben. Als erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen verheißen ist… Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen.“ Maria ist von ihrem Sohn Jesus Christus ein einzigartiges Privileg gewährt. Im Blick auf sie hoffen auch wir einmal auf dieses Privileg für uns. Jetzt noch sind nur die Seelen der Verstorbenen in der Ewigkeit. Für viele ist es schon der Himmel – das sind die Heiligen, für viele ist es noch das Fegfeuer, und – vergessen wir nicht: es gibt laut Jesus auch die Hölle. Dorthin wollen wir natürlich nicht kommen, Wir hoffen vielmehr, aufgrund unseres Erdenlebens am Jüngsten Tag einmal mit Leib und Seele ganz bei Gott sein zu dürfen.
* Auf einen Aspekt möchte ich heute besonders hinweisen: auf die Macht der Fürbitte Marias bei Gott, vor allem bei ihrem Sohn. Wenn Jesus uns im Johannesevangelium (vgl. 14,13-14) verspricht: „Alles, um was ihr mich in meinem Namen bittet, werde ich tun…“, um wie viel mehr wird er die Bitten seiner Mutter erhören! Und so beten wir voll Vertrauen in dem alten Gebet „Jungfrau Mutter Gottes mein …“: „Wer hat je umsonst deine Hilf angefleht? Wann hast du vergessen ein kindlich Gebet?“ Und wir singen mit hingegebener Gewissheit in dem Lied „Milde Königin, gedenke“: „… dass Maria eine Bitte nicht gewährt, ist unerhört, unerhört in Ewigkeit.“ Viele Menschen fühlen sich in ihren Sorgen und Nöten eher von der Schlichtheit, von der Mütterlichkeit dieser glaubensstarken Frau angezogen als vom ewigen, großen, fernen und unbegreiflichen Gott und kommen zu Maria in dem Vertrauen, bei ihr gut aufgehoben zu sein und durch sie und mit ihr zu Gott und vor allem zu ihrem Sohn Jesus Christus zu gelangen. Das ist ein sehr menschlicher und ehrlicher und warmherziger Glaube. Reihen wir uns an diesem Marienfesttag wieder neu ein in die Schar dieser einfachen, gläubigen Menschen.
Amen.