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Nachruf auf Papst Benedikt XVI .

  von Bernhard Mihm

 Die Eckdaten des Erdenlebens des emeritierten Papstes Benedikt XVI. sind Deutung eines großen Lebens, jeglichen Menschenlebens aber ebenso. An einem Karsamstag, Ostern im Blick, wurde Joseph Ratzinger geboren. An einem Silvestertag, da man mit dem Ende eines Jahres die Begrenztheit irdischen Lebens zu bedenken hat, schloß Benedikt XVI. die Augen. Wir sind geboren um  aufzuerstehen, aber müssen vorerst sterben. Von Gott zu Großen erschaffen, aber auch Erben der Sünde und durch diesen Nachlaß belastet, das ist der Mensch. Von Gott zu Großem berufen, das war der Verewigte, dessen wir gegenwärtig besonders gedenken: ein Gigant des Denkens, ein Esra in unserer Zeit, eine anima candida.

 

Gigant des Denkens

Beim Nachdenken, wer wohl der bedeutendste Denker sei, den Deutschland heutzutage der Welt geschenkt habe, wird Freund wie Feind immer der Name Ratzinger einfallen, schlechthin einfallen müssen.

Ich fühle mich nicht berufen, den Theologen Ratzinger fachlich zu würdigen. Aber als interessierter Laie auf diesem Feld  verweise ich gern auf zwei Themen seines Lehrens: die Eschatologie und die jüdische Wurzel des christlichen Kirchenbaumes. (Röm 11, 16 ff). Was die Eschatologie angeht, von der ein Lehrbuch und eine Enzyklika handeln, hat man Ratzinger gutgeschrieben, im neuzeitlichen Disput über Tod und Auferstehung „die Seele gerettet“ zu haben,. Und was das Judentum angeht, greife ich gern zur großen Trilogie „Jesus von Nazareth“, in der der päpstliche Autor immer wieder den Blick darauf weitet, ohne sich je anzubiedern und die Vollendung der Wahrheit in Christus infrage zu stellen.

Als deutscher Politiker verweise ich schließlich auf Benedikts Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011. Ich halte sie für die größte Stunde unseres Parlamentes seit dessen erstem Zusammentritt im Jahr 1949. Denn hier wurde der Grund politischen Lebens offengelegt und fundamental gedeutet. Diese Deutung erfolgte nach jener klassischen katholischen Naturrechtslehre, von der man hierzulande auch im kirchlichen Publikations- und Bildungsbetrieb kaum noch etwas oder gar nichts mehr hört. Diese Rede reihte sich ein in eine Überfülle kluger und und  gelehrter Darlegungen zu Fragen der Zeit, die wir dem einst gefragten Autor und Vortragsredner verdanken. Und jener Ratzinger, den man auch „Mozart der Theologie“ nannte, tat das mit einer wohl auch seiner Musikalität verpflichteten Sprachgewalt, die eigentlich so gar nicht „gewaltig“ war, sondern in ihrer Sachbezogenheit klar und lesbar. Es ist schieres Versäumnis deutscher Preisjurys, Joseph Ratzinger nie für seine Sprache ausgezeichnet zu haben.

 

Esra in unserer Zeit

Nach der Heimkehr der nach Babylon verschleppten Juden begann man alsbald mit dem Neubau des Tempels in Jerusalem und nahm den Tempelkult wieder auf. Aber es bedurfte insgesamt der Neuordnung nach den Weisungen des Mose. Nem 8 f. schildert, wie der Priester Esra vor dem versammelten Volk die alten Bücher aufschlug, daraus vorlas und lehrte. Nichts geringeres als dieses biblisch bezeugte Ereignis kam mir in den Sinn, als Papst Benedikt XVI. durch sein Motu proprio „Summorum pontificum“ die „Messe aller Zeiten“ wieder zweifelsfrei ins Recht setzte. Diese Entscheidung ist wohl ein Höhepunkt eines Pontifikates, in dem die Klärung von Mißverständnissen und Mißdeutungen des II. Vatikanischen Konzils ein großes Thema war. Bereits der Theologieprofessor und der Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger hatte sich das zur notvoll erkannten Aufgabe gemacht. Ich denke da an seine Bamberger Katholikentagsrede vom 14. Juli 1966 und seine Ansprache vor den chilenischen Bischöfen nicht lange vor seiner Papstwahl. In Bamberg war man noch überrascht von dem eilfertig ins Lager der kirchlichen Umstürzler gerechneten „theologischen Jungstar“, die Rede vor den Chilenen brandmarkte man als Selbstzeugnis eines „Panzerkardinals“. Und doch tat Ratzinger da und vielerorts sonst nur, was das Alte Testament von Esra rühmt: In Treue zum „ein für allemal überlieferten Glauben“ (Jud 3) religiöse – in unserem Fall kirchliche – Verwilderung zu zivilisieren. Leider konnte er nicht erleben, was nach dem Bericht von Nem 9 beim alten Volk Gottes geschah: Bußfertigkeit der für die Verwilderung verantwortlichen Väter: „Herr, unsere Väter befolgten deine Weisung nicht; sie mißachteten deine Gebote und deine Bundeszeugnisse, die du für sie aufgerichtet hast. Sie lebten in ihrem eigenen Königreich, in der Fülle des Reichtums, den du ihnen gewährt hast…“ Und der Esra in unserer Zeit fand taube Ohren, als er 2011 im Freiburger Konzerthaus jene Bußfertigkeit anmahnte. Statt dessen nach eigenem Bekunden „sprungbereite Feindseligkeit“, ein Tatbestand, der unserem Land nur zu Unehre und Scham gereicht und auf eine „anima candida“ traf, von der jetzt die Rede sein soll.

 

Anima candida

„Selig die rein sind im Herzen“, lesen wir in der Bergpredigt (Mt 5,8). Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. lebte diese Herzensreinheit vor. Jesus pries selig, wer sich diese Herzensreinheit aneignete und bewahrte. Die Welt freilich pflegt diese seligmachende Haltung auszunutzen und schmählig zu  entgelten. Der Verstorbene hat das immer wieder ausgekostet. Schon dem Regensburger Professor sagte man nach, er erkenne seine Feinde nicht. Der junge Wissenschaftler hatte in München, der Lehrstuhlinhaber in Bonn und in Münster jene grausame Mixtur aus invidia clericalis und akademischem Intrigantentum kennengelernt, mit der jetzt auch der Kölner Kardinal Woelki konfrontiert ist. Ratzinger hatte nicht zurückgeschlagen – auch nicht mit solcher Gegenwehr, die ihm rechtlich und moralisch erlaubt gewesen wäre. Und was er in Treue zu Papsttum, Kirche und Glauben in Rom Großes leistete, trug ihm im eigenen Vaterland nur Mißbilligung und Feindseligkeit ein: „der Panzerkardinal“. Wie er als Bischof und Papst menschliche Unzulänglichkeiten ertrug oder um einer weiteren Chance für den Betroffenen väterlich verzieh oder manchmal mit seinen reinen Augen gar nicht wahrzunehmen vermochte, brachte ihm Ärger, Verdächtigungen und üble Nachrede ein. Voller Ingrimm, zu dem Benedikt gar nicht fähig gewesen wäre, erlebte ich es als Parteifreund dieser Kanzlerin, wie Angela Merkel den Papst in aller  Öffentlichkeit und vor Augen und Ohren eines zentralasiatischen heidnischen Machthabers wegen vermeintlicher Duldung von Antisemitismus rüffeln zu sollen meinte.

Das alles war und bleibt nicht schön, aber es steht unter den Seligpreisungen des Herrn !

Sie ist die große Überschrift über dem Grab jenes Toten, dessen sterbliche Überreste in den Grotten von Sankt Peter dort ruhen werden, wo bis zu Ihrer Erhebung zur Ehre der Altäre die Reliquien seines von ihm geliebten und verehrten Vorgängers beigesetzt waren.