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Abendmahlsfeier oder Vergegenwärtigung von Christi Kreuzesopfer?

Im letzten Beitrag von Prof. May wurde das Kerngeschehen der Eucharistiefeier dargelegt: die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi durch die Worte des geweihten Priesters, der sie in persona Christi spricht.
In den folgenden Ausführungen geht es um den Charakter und die Form des Herrenmahls in Auseinandersetzung mit progressiven Theologen und Protestanten. Die Darlegungen referieren Predigten von Kardinal Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising,[1] zusammengestellt von Hubert Hecker.

In der Zeit nach dem Konzil gab es in der Kirche Streit um die Eucharistiefeier: Die Progressiven meinten damals, „der Herr habe (im Abendmahlssaal) ein schlichtes Mahl der Brüderlichkeit mit seinen Jüngern gehalten“, das jene zu seinem Gedächtnis wiederholen sollten. Man müsse die kultische Überhöhung der eucharistischen Mahlfeier in Liturgie und Kirchenräumen zurückbauen, entsakralisieren, damit das Herrenmahl wieder ein einfaches Mahl der Alltäglichkeit und Menschlichkeit werde.

Dagegen wendet Ratzinger ein: Christi Auftrag ‚Tut dies!‘ kann sich unmöglich auf die Gestalt des jüdischen Paschamahls beziehen, das Jesus mit seinen Jüngern feierte. Der Wiederholungsbefehl zielt auf etwas völlig Neues im Handeln Jesu:  Er gibt sich selbst als Opfergabe im Hinblick auf seinen Kreuzestod zur Erlösung von der Knechtschaft der Sünde.

Erst nach Kreuzestod, Auferstehung und Geistsendung konnte die entstehende Kirche eine neue Rahmengestalt für ihre Gedächtnisfeier finden. Aber was waren die biblischen Anknüpfungspunkte?

Darauf geben Progressive und Protestanten folgende Antwort: „Die Eucharistie sei die Fortsetzung der (jesuanischen) Sündermähler.“ Die Einladung Jesu an den offenen Tisch der Sünder erfolge bedingungslos über alle Konfessions- und Klassenschranken hinweg, ja insbesondere an die Zöllner und Sünder“ oder die Menschen an den Hecken und Zäunen außerhalb der etablierten Gemeinschaften.

Gegen diese Interpretation sprechen die Evangelienberichte: Jesus hat zu seinem letzten (Pascha-) Mahl ausdrücklich nur die zwölf Apostel eingeladen als Hausgemeinschaft seiner neuen Glaubensfamilie. Er hat sie mit seinen Lehrworten und der Fußwaschung als Bad der Vergebung dafür bereitet, mit ihm in Blutsgemeinschaft ein einziger Leib zu werden. „Die Eucharistie ist nicht selbst das Sakrament der Versöhnung, sondern sie setzt dieses Sakrament voraus. Sie ist das Sakrament der Versöhnten, zu dem der Herr (nur) diejenigen lädt, die mit ihm eins geworden sind“ als mit ihm Versöhnte oder die des hochzeitlichen Gewandes würdig sind. Deshalb gibt es die Mahnungen des Apostels Paulus zum würdigen Empfang des Leibes Christi und seine Warnung vor dem unwürdigen Empfang als Gericht (vgl. 1 Kor 11, 27ff). Die Zwölfapostellehre nimmt diese apostolische Tradition der Zutrittsbedingungen auf, indem sie die Worte des Priesters vor Austeilung des Sakraments überliefert: „Wer heilig ist, der trete hinzu, wer nicht, tue Buße. “

Auch eine zweite Interpretation der Progressiven zur Eucharistiefeier entspricht nicht dem biblischen Sinn: Das Abendmahl sei in Fortsetzung der (all-) täglichen Mahlgemeinschaften Jesu mit den Jüngern gefeiert worden. Für Paulus ist die scharfe Abgrenzung des alltäglichen Sättigungsmahls vom Kult der Eucharistiefeier konstitutiv für deren herausgehobenen Charakter.  Sie wurde und wird am ersten Tag der Woche als Auferstehungstag begangen. In der Feier des Herrenmahls vergegenwärtigten die Jünger Jesu Christi Ganzhingabe am Kreuz, seinen Opfertod, und feierten seine Auferstehung als göttliche Bestätigung seines Erlösungswerkes. Am ersten Tag der Woche, nach jüdischem Kalender zugleich der erste Tag der Weltschöpfung, konnten die Jünger die Gedächtnisfeier der Neuschöpfung begehen: Jesus Christus hat durch Überwindung von Sünde und Tod als zweiter Adam einen Neuanfang für die Menschheit gesetzt. Das zeigte sich in der völlig neuen Kultform der Christen: Der jüdische Tempelkult mit der Schlachtung des Paschalamms wird abgelöst durch die neue Kultfeier zu Jesu Tod und Auferstehung. Der auferstandene Christus als mystischer Leib ist der neue Tempel, in den die Christen als lebendige Steine integriert sind. Er selbst ist der neue und ewige Hohepriester und zugleich das Opferlamm, das die Sünde der Welt (nicht nur des Volkes Israel) hinweg nimmt (vgl. Hebräerbrief).

Nach den Klarstellungen zum grundsätzlichen Charakter der Messfeier als Vergegenwärtigung von Erlösungstod und Auferstehung Christi geht Ratzinger auf Einzelfragen ein:

Die Abendmahlsworte von Jesus lauten nach Mk 14,24: „… Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.“ Lukas ergänzt “… für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Warum wurde der Urtext aus dem griechischen Neuen Testament und dem lateinischen Missale im deutschen Messformular mit „für alle“ übersetzt? Ist da nicht etwas Falsches in die heiligste Stelle unseres Gottesdienstes hereingetragen worden, fragte in den 70er Jahre Kardinal Ratzinger. Danach erörtert er die bekannten theologischen Positionen zu dieser Stelle: Gott will das Heil aller Menschen und Jesus ist für alle gestorben. Aber Gott zwingt niemanden zum Heil. Seine Erlösungstat ist ein Angebot an die Menschen, das sie in Freiheit annehmen oder ablehnen können. Im Ergebnis werden nicht alle, sondern nur die vielen gerettet. Ratzinger lässt die Frage der ‚richtigen‘ Übersetzung offen: “Beide Formel sagen je einen Aspekt der Sache aus, (…) jede bedarf der Auslegung und Rückbeziehung aufs Ganze der Botschaft“. 30 Jahre später hat er als Papst sich dafür ausgesprochen, die von den Evangelisten überlieferten Worte Jesu auszusprechen („für viele“) – und nicht die spätere theologische Interpretation („für alle“). Eine entsprechende Anweisung an die deutsche Bischofskonferenz hat diese ignoriert.

In einem weiteren Abschnitt erörtert Ratzinger die Frage, ob die Kommunion knieend oder stehend, in Hand oder Mund empfangen werden sollte. Er geht dabei nach dem Grundsatz vor, dass die leiblichen Gesten der Kommunikanten entscheidend durch die geistliche Einstellung der Ehrfurcht geprägt sein müssen. Aus diesem Geist der größeren Ehrfurcht setzte sich seit dem Frühmittelalter die kirchliche Praxis durch, den Leib Christi knieend in den Mund zu empfangen, wie es in der orthodoxen Kirche heute noch die Regel ist. Die Mönche von Cluny zogen sogar vor dem Niederknieen ihre Sandalen aus wie Mose vor der Gotteserscheinung im brennenden Dornbusch, denn in jeder Kommunion geschieht erneut die Herabkunft (Epiphanie) Gottes zu uns Menschen. Dazu erscheint Knieen als die angemessene Antwortgeste des Menschen. Allerdings kann auch Stehen oder Gehen (wie bei der Fronleichnamsprozession) als Ehrfurchtsgeste kultiviert werden. Ratzinger erläutert das an einer Taufkatechese des Cyrill von Jerusalem aus dem 4. Jahrhundert: Die Kommunikanten sollen ehrfürchtig zum Priester vortreten. Dann sollen sie ihre rechte Hand auf die linke legen, so dass die Hände ein Kreuz bilden. Dieses Händekreuz soll zugleich einen Thron bilden, in das sich Jesus Christus, der König der Welt, hineinbeugt. Erkennbar sind diese Symbolgesten an der johanneischen Theologie orientiert, nach der das schmachvolle Kreuz Christi zugleich  Siegeszeichen und Herrscherthron des Gottessohns bedeutet.

Zu ergänzen ist noch, dass die Kommunikanten damals die Kommunion direkt zum Mund führten (und nicht etwa mit der linken Hand das in den Leib Christi verwandelte Brot anfassten, um es in den Mund zu stecken wie ein Stück normales Brot). Nach anderen Überlieferungen legte man auf die gekreuzten Hände ein weißes Leinentuch, mit dem die empfangene Kommunion (ohne Handberührung) zum Mund geführt wurde. Ratzinger verweist auch auf die frühchristliche Haltung der Ehrfurcht und Anbetung, die in dem folgenden Augustinus-Wort zum Ausdruck kommt: ‚Niemand isst den Leib Christi, bevor er ihn nicht angebetet hat. (…) Wir sündigen, wenn wir ihn nicht anbeten.‘

Schlusskommentar des Autors: Die urchristlichen Ehrfurchtsgesten bei der Handkommunion werden heute in der Kirche kaum mehr katechetisiert – und deshalb von den Katholiken auch nicht verstanden und praktiziert. Das Ausstrecken und Aufhalten der Hände wird weitgehend unsymbolisch als Alltagsgeste verstanden, z. T. nach schlenderndem Zutritt als Einforderung der Hostie (oder Oblate*) an die ‚Kommunionausteiler‘. Diese Tendenz zur entsakralisierten Veralltäglichung des Kommunionempfangs bis hin Banalisierung geht einher mit dem Glaubensschwund der Taufkatholiken im Allgemeinen und dem Glaubensverlust an die Realpräsenz des Leibes Christi im Besonderen. Das hat mit der kirchlichen Einführungsgeschichte der neuerlichen Handkommunion zu tun. Nicht von ungefähr entstand die Praxis der lässigen Handkommunion in den Niederlanden als dem Kernland des reformierten Protestantismus. Zwingli und Calvin hatten im 16. Jahrhundert das Knieen bei der Wandlung verboten und die stehende Handkommunion vorgeschrieben. Damit sollten die Gläubigen demonstrativ dokumentieren, dass sie nicht an die Realpräsenz glauben, sondern in der Hostie nur ein Stück Brot sehen, das symbolisch an das Abendmahlbrot erinnerte. Es dürfe aber auf keinen Fall angebetet werden, wie Augustinus das lehrte. Dieser calvinistischen Unglaubenspraxis schlossen sich holländische Bischöfe, Priester und Gläubigen in der Nachkonzilszeit an. In dem von Kardinal Bernardus Alfrink approbierten „Erwachsenenkatechismus“ von 1966 rückten die holländischen Theologen von der sakramentalen Realpräsenz ab und suchten den Anschluss an die calvinistische Symbollehre. Mit dem Abräumen der katholischen Lehrtradition war der Weg frei gemacht für den stehenden Handempfang des symbolisch aufgeladenen Gedächtnisbrots. Von Holland schwappte die Handkommunionpraxis auf Deutschland über. Der Konzilskardinal Julius Döpfner „kämpfte“ nach eigenen Worten zwei Jahre lang um die vatikanische Zulassung der Handkommunion. Trotz eines überwältigenden Votums der Weltbischöfe gegen die Kommunion als Handreichung ließ sich Papst Paul VI. von Döpfner erweichen. Er erlaubte 1969 mit einer Instruktion die Kommunion auf die Hand, wenn die nationalen Bischofskonferenzen einen entsprechenden Beschluss fassten. Seine im gleichen Dekret ausgesprochenen Warnungen, mit der Einführung der Handkommunion der Tendenz zum Ehrfurchtsverlust sowie zu einer schleichenden Verfälschung der Glaubenslehre über die heilige Eucharistie entgegenzusteuern, wurden in den Wind geschlagen. So wurden seine Mahnungen als Unheilsprophetie traurige Wirklichkeit im mainstream der Kirche bis heute. 

 

 


[1] Joseph Kardinal Ratzinger: Gott ist uns nah. Eucharistie: Mitte des Lebens, Sankt Ulrich Verlag 2001, S. 55-73
* Der evangelische Kabarettist Eckart von Hirschhausen, mit einer katholischen Ehefrau verheiratet, sagte auf dem Katholikentag 2018 in Münster auf einem Podium zu Kardinal Rainer Maria Woelki: „Wenn Sie die Hälfte meiner Kirchensteuer für den katholischen Bereich abzwacken, geben Sie mir entweder eine Oblate dafür, oder Sie geben mir mein Geld zurück.“ Woelki antwortete darauf: „Als Katholik werde er niemals von einer Oblate sprechen. Die Verwendung dieses Begriffs zeigt, dass wir beide schon einmal etwas ganz anderes darunter (unter dem Sakrament der Eucharistie) verstehen.“ Bemerkenswert waren die Reaktionen der Zuhörer: Auf die Darlegung der katholischen Glaubensposition erntete der Kardinal eisiges Schweigen, während die vorwiegend katholischen Zuhörer der Auffassung von Hirschhausens donnernden Applaus zollten. Offenbar war die zuhörende Mehrheit  von Katholiken der Meinung, dass man als Gegenleistung für die Zahlung von Kirchensteuer ein Recht hat, im katholischen Gottesdienst die Brotoblate auf die Hand zu kriegen.