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Bibelfälscher im Religionsunterricht - nur in China?

Ein Kommentar von Hubert Hecker

Kürzlich wurde bekannt, dass chinesische Berufsschüler mit einer verfälschten Bibelgeschichte konfrontiert werden. In einem Lehrbuch zu „Berufsethik und Recht“, herausgegeben von einer staatlichen Universität, wird die biblische Geschichte von der Ehebrecherin erzählt. Zunächst heißt es korrekt: Zu der aufgebrachten Menge sagte Jesus: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“. Daraufhin zerstreuten sich die anklagenden Menschen.
In der Bibel folgt dann die Schlusspassage, nach der Jesus sich aufrichtete und zu der Frau sagte: Wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr!

Doch die chinesischen Schulbuchschreiber wollen die christliche Botschaft von der göttlichen Gnade mit der Ermahnung zum Nichtmehrsündigen nicht gelten lassen. Sie degradieren den Gottmenschen Jesus Christus zu einem rigorosen Gesetzesverfechter, indem sie ihm die Worte in den Mund legen: „Auch ich bin ein Sünder. Wenn aber das Gesetz nur von Männern ohne Sünde ausgeführt werden könnte, wäre das Gesetz tot.“ Anschließend habe Jesus selbst, so behauptet das Lehrbuch, die Ehebrecherin zu Tode gesteinigt. Von dieser Bibelverdrehung in Dienste der kommunistischen Staatsdoktrin berichtete der asiatische katholische Nachrichtendienst UcaNews.

Solche plumpen Verfälschungen des biblischen Wortlauts werden in Deutschland nicht fabriziert. Aber moderne Theologen und ihnen folgende Religionslehrer machen das viel eleganter auf die krumme Interpretationstour: Sie gehen von den Originaltext aus, klopfen und wenden ihn dann aber so lange hin und her, bis in den Köpfen der Leser oder Schüler eine gegenteilige Version der jeweiligen Geschichte entsteht. Der 2019 verstorbene Theologe Klaus Berger hat die Methoden der „Bibelfälscher“ in seinem 2007 erschienenen Buch an vielen Beispielen erläutert.   

In meinen Unterlagen zur Vorbereitung des Religionsunterrichts fand ich eine Unterrichtsskizze zum Thema Auferstehung der Toten. Dort war zunächst der originale Text aus 1 Kor 15 abgedruckt:

1 Ich erinnere euch, Brüder und Schwestern, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht.  2 Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet werden, wenn ihr festhaltet an dem Wortlaut, wie ich ihn euch verkündet habe, es sei denn, ihr hättet den Glauben unüberlegt angenommen. 3 Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, 4 und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, 5 und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. 6 Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. 7 Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. 8 Zuletzt erschien er auch mir, gleichsam der Missgeburt. 9 Denn ich bin der Geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. 10 Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir. 11 Ob nun ich verkünde oder die anderen: Das ist unsere Botschaft und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt. 12 Wenn aber verkündet wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? 13 Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. 14 Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube. 15 Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden. 16 Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. 17 Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; 18 und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. 19 Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. 20 Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.

Im zweiten Schritt wird ein in Schülersprache verfasster Brief an Paulus vorgestellt:

Lieber Apostel Paulus
wenn ich mal so sagen darf nicht wahr,
du hast doch – ich meine was Jesus angeht,
genauer seine Auferstehung -
das nicht so wörtlich gemeint,
eins Korinther fünfzehn, du weißt schon,
nur in dem Sinne wohl,
dass er sozusagen geistig sinnbildlich in uns allen weiterlebt,
dass wir neuen Mut fassen,
den Blick erheben
wie die Natur erneut aufblüht

so ähnlich eben,
es geht schon, die Sache geht schon weiter,
man muss sie vorantreiben, die gute Sache
,
an die wir doch alle irgendwie glauben,
den Fortschritt, mein‘ ich,
Mitmenschlichkeit und so,
Friede, nicht wahr,
das wolltest du doch sagen….
Der Autor Lothar Zenetti, in den 70er Jahren ein Frankfurter Jugendpfarrer, fügte seinem Text ein „Nein?“ hinzu. Doch gegenüber den zahlreichen suggestiven Uminterpretationen der Auferstehung der Toten zu einem mutmachenden Weiterleben der guten Sache Jesu in fortschrittlicher Mitmenschlichkeit bedeutet das fragende ‚Nein?‘ nur ein Feigenblatt des Autors – ohne Bedeutung für die Schüler. 

In einem dritten Unterrichtsschritt wird den Schülern der Arbeitsauftrag gegeben:

„Schreib auch du einen Brief an Paulus, teile ihm deine Fragen, deinen Standpunkt mit:
Lieber Paulus…“

Die Aufgabe ist so gestellt, dass die Schüler kaum etwas anderes als Variationen der ‚Fragen und Standpunkte‘ des vorgestanzten Briefes formulieren können und sollen.

 Im Vergleich zu dem chinesischen Lehrmaterial dürfte das Ergebnis in deutschen Religionsunterricht bei völlig anderer methodischer Hinführung ähnlich aussehen. Der originale eindeutige „Wortlaut“ des Bibeltextes von der ‚Auferstehung der Toten‘ wird durch vielfältige suggestive Interpretationsvorschläge  zu einem immer neuen „Aufstehen im Leben“ (Zielvorstellung im hessischen RU-Lehrplan) in eine völlig andere Richtung umgedeutet.

Vermutlich ist die westliche Didaktik der indirekten Textverfälschung durch Interpretation eine viel effektivere Gehirnwäsche als die chinesische Methode, die Schüler mit einer direkten Textfälschung zu konfrontieren. Wenn den Schülern einmal der biblische Originaltext in die Hände gespielt würde, merkten sie unmittelbar, dass sie manipuliert und betrogen worden sind. Die deutschen Schüler bekommen den originalen Bibeltext ausgehändigt zum Lesen. Doch der wird in diesem Fall nicht weiter bearbeitet oder analysiert. Mit einem suggestiven Interpretationstext wird das Gelesene sogleich überschrieben wie in einem Palimpsest. In der Form eines fiktiven Briefes in der Jugendsprache sollen sich die Schüler mit den dargebotenen Fragen und Meinungen identifizieren. Schließlich sollen sie nach diesem Muster einen eigenen ähnlich lautenden Brief an Paulus verfassen. Mit dieser „handlungs- und schülerorientierten Methode“ sollen sie die Interpretationsstandpunkte der Vorlage aktiv reproduzieren und sich damit zu eigen machen. Als Hausaufgabe oder Test könnte die Lehrperson noch das Ausfüllen eines Lückentextes einfordern zur weiteren Verfestigung der gelernten Falschinterpretation. 

         

 

 

 

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