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Der Synodale Weg zum BRUCH mit Bibel, Tradition und Lehramt (12)

Trotz berechtigter internationaler Einwände ... ein Weitergehen auf dem Irrweg

Erschreckende Missbrauchsdimensionen bei nicht-zölibatären Laien-Katholiken

Ein Vergleich zwischen dem im Frühjahr veröffentlichten Bericht einer unabhängigen Kommission zu Missbrauch in der Kirche in Frankreich mit der deutschen MHG-Studie bringt neue Einsichten. Beide Forschungsberichte untersuchen sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen im Zeitraum von 1945/50 bis 2015/2020. Entscheidend ist der Unterschied: Die französische Studie CIASE beschränkt ihre Untersuchung nicht auf Kleriker, sondern bezieht auch die sexuellen Übergriffe von Laien im Rahmen der kirchlichen Arbeit ein. Darüber hinaus werden die kirchlichen Zahlen der Gesamtzahl der sexuell missbrauchten Opfer in der französischen Gesellschaft gegenübergestellt.
Alle folgenden Zahlen sind Hochrechnungen auf der Basis von Stichprobenuntersuchungen. Es sind also Schätzungen, nicht belastbare Daten, sie sollten nur als Tendenz- und Verhältniswerte aufgefasst werden. Nach der Studie sind bis zu 5,5 Millionen Menschen in Frankreich (gleich 10,2 Prozent) in ihrer Kindheit oder Jugendzeit missbraucht worden. Diese Prozentzahl an der französischen Gesamtbevölkerung entspricht einer deutschen Studie von 2017. Von den selbstbezeichneten Opfern in Frankreich gab 2 Prozent an, etwa 115.000 Personen, in ihrer Zeit als Minderjährige von kirchlich beauftragten Laien missbraucht worden zu sein, 4 Prozent (gleich 216.000) von Geistlichen.
In Frankreich sind wie in Australien und Deutschland seit 2010 alle ans Licht gekommene Missbrauchsfälle im kirchlichen Bereich von den Medien kampagnenmäßig skandalisiert worden. Damit wurde der Bevölkerung Glauben gemacht, dass sexuelle Übergriffe hauptsächlich in der Kirche vorkämen und Kleriker besonders anfällig dafür wären.
In Wirklichkeit ist der Anteil von zölibatären Priestern an Missbrauchsfällen signifikant niedriger als bei anderen Männern, wie verschiedene Studien der Professoren Leygraf und Kröber im Jahre 2012 erwiesen haben. Dazu kommt, dass die kirchlichen Missbrauchszahlen in den letzten 30 Jahren stärker zurückgegangen sind als in der übrigen Bevölkerung. Wenn aber die französische CHIASE-Studie der Öffentlichkeit diese aktuellen Zahlen präsentiert hätte, dass der Anteil von übergriffigen Geistlichen bei etwa 0,4 Prozent der Gesamtbevölkerung liegt, dann hätten die Medien nicht mehr in gewohnter Weise auf der Kirche herumhacken und zugleich den Missbrauch von 99,6 Prozent in der Gesellschaft ignorieren können. Die auf die Kirche fokussierte Skandalkultur mag ein weiterer Grund dafür sein, dass der CHIASE-Bericht mit der Zahl von vier bzw. sechs Prozent übergriffigen Tätern in der Kirche die Erwartungen der Medien bediente.
      Der eigentliche Skandal aber besteht in der medialen Ausblendung der Millionen 
      Missbrauchstäter und -opfer aus allen gesellschaftlichen Bereichen.


Bei nicht-zölibatären Laien erschreckende Missbrauchsdimensionen

Ca. 50 Prozent der 5,5 Millionen französischen Opfer sind außerhalb des familiären Umfelds missbraucht worden, also von Fremden, in Vereinen, Schulen und anderen Organisationen, eben auch mit geringem Anteil im kirchlichen Bereich. Die andere Hälfte der sexuellen Übergriffe fand im nächsten Umfeld der Opfer statt. 1,16 Millionen Mädchen wurden missbraucht durch Bekannte oder Verwandte im Umkreis der Familie. Der gleiche Tätertyp brachte 220.000 Jungen in sexuelle Bedrängnis. Weitere 1,4 Millionen Mädchen und 160.000 Jungen erlitten Missbrauch in ihren Familien. Einer davon war der Zwillingsbruder von Camille Kouchner, die den Missbrauch durch ihren prominenten Stiefvater Olivier Duhamel mit ihrem Buch „La familia grande" kürzlich bekannt machte. Daraufhin brachte eine spezielle Untersuchungskommission zu Inzest und familiärer Gewalt Erschreckendes an den Tag: „22.000 Kinder sind jährlich Opfer von sexueller Gewalt durch den Vater." Doch nur 3,5 Prozent der Täter wurde 2018 wegen Inzestvergehen verurteilt. Die Zahl von jährlich missbrauchten Kindern in Frankreich beläuft sich auf 160.000 (FAZ 1.11.2021).
Für Deutschland liegen die Zahlen in ähnlichen Dimensionen. Nach Studien des Ulmer Kinder- und Jugendpsychiaters Jörg Fegert liegt „die Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs deutlich bei mehr als zehn Prozent" (FAZ 5.3.2018) – also gleichauf mit der Verhältniszahl in Frankreich. Die absolute Zahl durch Hochrechnung dürfte bei 8 Millionen Deutschen als Missbrauchsopfer in ihrer Kindheit und Jugendzeit liegen. Die Opferzahl unter den 22,2 Millionen Katholiken läge entsprechend bei mehr als 2,2 Millionen. Bei einer durchschnittlichen Opferzahl von 2,2 Personen pro Täter (vgl. MHG-Studie) ergäbe die Hochrechnung auf Katholiken als Missbrauchstäter die Zahl von etwa 1000000, davon mehr als 99 Prozent Laien. In Worten: Etwa eine Million Laien-Katholiken missbrauchten in den vergangenen 70 Jahren im familiären Kreis oder in gesellschaftlichen Organisationen einschließlich der Kirche Kinder und Jugendliche.
Der ehemalige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, nennt die Zahl von einer Million aktuell betroffener Kinder und Jugendliche in Deutschland. Das bedeutet ein bis zwei minderjährige Opfer in jeder Schulklasse, missbraucht etwa je zur Hälfte in Familie und deren Umkreis sowie in den verschiedensten gesellschaftlichen Organisationen.

In den meisten zivilgesellschaftlichen Bereichen und Organisationen sind solche Studien wie die MHG-Studie oder Untersuchungen in einzelnen Diözesen noch nicht einmal ins Auge gefasst worden. Auch von den katholischen Verbänden, deren Laien-Vertreter den Missbrauch von Klerikern anklagen, hat noch keine Vereinigung eine Missbrauchsuntersuchung eingeleitet. Das ZdK als Zentralgremium des katholischen Verbandskatholizismus zeigt im Empörungsgestus auf missbrauchende Kleriker, macht aber keine Anstalten, sexualisierte Gewalt in den eigenen Reihen aufzuklären.
Bei den wenigen Missbrauchsuntersuchungen in gesellschaftlichen Organisationen kommt Erschreckendes zu Vorschein. Eine Studie zu Spitzensportlern brachte an den Tag, dass  ein Drittel der Athleten von sexuellen Übergriffen in Wort und Tat berichteten. Zu allen Sportvereinen ein nennt Prof. Fegert die Zahl von 200.000 Missbrauchsopfer unter Minderjährigen, „ungefähr doppelt so viele Fälle wie in der katholischen Kirche" (RPonline 14.7.2019). Für den Bereich der evangelischen Kirche hatte der Ulmer Forscher in seiner Studie ebenfalls eine Missbrauchszahl von ca. 100.000 hochgerechnet.

Die fatale Doppelwirkung der Skandalisierung von Missbrauch in der Kirche
Angesichts dieser schockierenden Dimensionen von sexualisierter Gewalt in allen gesellschaftlichen Bereichen stellt der scheidende Missbrauchsbeauftragte im Spiegel-Interview fest: „Sexuelle Gewalt gegen Kinder hat pandemische Ausmaße, es ist eine Kinderschutzkatastrophe, was da passiert". Seine Bilanz nach zehn Jahren Arbeit für den Kinderschutz ist ernüchternd. Regierung, Parlament und Länder sowie die gesellschaftlichen Organisationen reagieren nur sehr schleppend. „Ausgehend von der realen Dimension sexueller Gewalt, erscheinen die bisherigen Maßnahmen eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein", erklärte Prof. Fegert. Daran sind auch die Skandalisierungen von einzelnen Fällen wie Staufen (BW) und Lügde (NRW) oder die Fokussierung auf die katholische Kirche schuld. Sie bewirken zwar an den Einschlagsstellen Veränderungen. Aber aufgrund der skandalorientierten Aufblähungen mit Klischees, medialer Prangerstellung und populistischen Radikalforderungen „verstellen sie den Blick auf die Gesamtdimension von Gewalt gegen Kinder" (Fegert).

Diese Doppelwirkung von skandalisierender Überzeichnung einerseits und Ablenkung von dem gesamtgesellschaftlichen Problem andererseits traf im letzten Jahrzehnt mit voller Wucht die katholische Kirche:

Nach der Aufdeckung von Missbräuchen am Berliner Jesuitenkolleg im Januar 2010 entfesselten die Medien drei Monate lang einen Skandalsturm gegen die Kirche als eine vermeintliche Täterorganisation von sexuell missbräuchlichen Klerikern. Die Presse stellte bald den Zölibat und die katholische Sexualmoral als kirchenspezifische Ursachen klerikaler Übergriffigkeit hin. Im Ergebnis glaubte nach einer Befragung im Sommer 2010 etwa 56 Prozent der Deutschen, dass Missbrauch in der katholischen Kirche weitaus häufiger vorkomme als in anderen Institutionen der Gesellschaft. Seither blieben die Medien in sprungbereiter Wartestellung, um bei jeder Gelegenheit von bischöflichen Beschlüssen oder neuen Einzelfällen mit ihren Meldungen im Empörungsgestus fortzufahren. Als dann im Herbst 2018 die MHG-Studie herauskam, wurde die mediale Skandalisierungswelle wieder für Monate hochgefahren.

Generalabrechnung mit der Kirche als Sündenbock
Der Bundesrichter a. D. Thomas Fischer bezeichnete die Berichterstattung über Missbrauch in der katholischen Kirche als „Hysterisierung" (kath.net 15.2.2021). Dabei trügen die Skandalkampagnen teilweise den Charakter von „einer Generalabrechnung" mit der katholischen Kirche. Denn über 40 Prozent der zumeist links-grünen Journalisten halten die Kirche für scheinheilig und nutzen daher jeden Anlass, um der Kirche eins auszuwischen. Da die Presseleute inzwischen wissen (müssten), dass es auch in vielen anderen gesellschaftlichen Strukturen wie im Sport, in Schulen, in therapeutischen Praxen etc. ebenfalls massenhaften Missbrauch gebe, hätten ihre einseitigen Skandalisierungen eine Art „Sündenbockcharakter": hier die Kirche und Kleriker als der „scheinbar große Bösewicht" und auf der anderen Seite die Laien als Ohnmächtige, Unschuldige und Opfervertreter.

An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass vier Prozent der Kleriker in Missbrauch verwickelt war, 96 Prozent nicht. Wenn ein ähnlich kleiner Anteil von Lehrern, Sporttrainern, Polizisten, Ärzten, Sozialarbeitern schweres Fehlverhalten begeht, wird niemand die gesamte Profession anklagen oder die entsprechende Institution als Täterverband denunzieren, sondern differenzieren zwischen Tätern und Unschuldigen. Doch bei der Kirche begann eine pauschale Tribunalisierung durch die Medien, wie man sie historisch nur von den notorisch antiklerikalistischen Kräften der Sozialisten, Linksliberalen und Nationalsozialisten kannte.

Die Deutsche Bischofskonferenz betreibt Selbstskandalisierung
Seit 2010 hat die DBK eine Reihe von Reformprozesse zur Aufarbeitung und Vorbeugung von Missbrauchsvorkommen auf den Weg gebracht. In Sachen Präventionsstrukturen, Betroffenenräte, Untersuchungen, Entschädigungsfonds etc. sind die meisten deutschen Diözesen weiter als alle anderen gesellschaftlichen Organisationen. Das findet auch die Anerkennung vom ehemaligen Missbrauchsbeauftragten Rörig.
Aber an zentralen Punkten sind die führenden Vertreter der DBK vor den medialen Skandalkampagnen eingeknickt: Die pauschale und populistische Verurteilung der Kirche als „Täterorganisation" übernahmen Bischof Bätzing und erst kürzlich erneut der Kölner Weihbischof Steinhäuser. Auch der Vorwurf, dass die Missbräuche von Geistlichen und deren Vertuschung hauptsächlich kirchenspezifische Ursachen hätten wie Zölibat, Klerikalismus und katholische Sexualmoral, hatten zuerst die Medien breitgestreut. Die Deutsche Bischofskonferenz nahm diesen Ball auf und beauftragte die MHG-Forscher, „institutionelle Ursachen" für Missbrauch in der Kirche zu identifizieren. Trotz intensiver Suche konnten die Wissenschaftler keine belastbaren Ergebnisse zu der Hypothese von den systemischen Ursachen vorweisen. Im Gegenteil zeigten sie in der Vergleichsstudie des Teilprojektes 2 auf, dass sich in den Grundmustern der Missbrauch von Klerikern nicht von sexuellen Übergriffen in anderen Institutionen unterscheidet. Damit war dem Gerede von den kirchenspezifischen Bedingungen eigentlich der Boden entzogen.
Doch die damals führenden DBK-Bischöfe Marx und Bode wollten dieses wissenschaftliche Ergebnis nicht wahrhaben. Sie verfolgten lieber das einmal gefasste Vorurteil, hauptsächlich die Kirche und ihre angeblich klerikalistischen Strukturen des (Macht-) Missbrauchs zu beschuldigen. Die innerkirchlichen Systembedingungen für Missbrauch machten sie dann zum Begründungsmärchen für den Synodalen Weg.
Dieses Vorgehen kann nur in die Irre führen, weil Bischöfe und Synodale in mehrfacher Hinsicht die Tatsachen ausblenden:
• Für Missbrauchstaten im kirchlichen Bereich sind in erster Linie die Täter verantwortlich. Deren Typologie unterscheidet sich nicht von Missbrauchstätern in anderen Institutionen – so die MHG-Studie in der „Zusammenfassung" auf Seite 12.

• Auch die Kontexte von Missbrauch wie schweigende Mitwisser, Vertuschung als diskrete Regelung durch Organisationsverantwortliche, Verharmlosung der Tat und der Schadenswirkung für die Opfer waren und sind ebenfalls in anderen Institutionen verbreitet.
(Nach dem Filmbericht „missbraucht" im deutschen Schwimmsportverband (20.8.2022, 22.40 Uhr, ARD) über jahrelangen Missbrauch von Trainern, Wegschauen und Vertuschen der Funktionäre kann niemand mehr ernsthaft kirchenspezifische Systemursachen wie Zölibat oder priesterliches Amt behaupten.)

• Die Synodalen verschließen ihre Augen vor dem Missbrauch von Laien-Mitarbeitern in der Kirche. Im Ergebnis wird den übergriffigen Laien und Laiinnen im Kirchendienst Täterschutz gewährt.

• Schließlich wendet der Synodale Weg seinen Blick weg von dem massenhaften Missbrauch durch Katholiken in Bereichen außerhalb der Kirche (siehe oben). Somit blenden die Synodalen die „gesamtgesellschaftliche Dimension von Missbrauch" (Fegert) aus.

Angesichts dieser schwerwiegenden Fehleinschätzungen sollte der Synodale Irrweg schleunigst gestoppt und mit einem neuen Ansatz die Probleme angepackt werden:

• Abkehr von dem ideologischen Tunnelblick allein auf Kleriker als Missbrauchstäter – realistischer Blick auf übergriffige Laien im Kirchendienst

• Hinwendung zu der Einsicht, dass Missbrauch ein Phänomen in allen gesellschaftlichen Bereichen ist, bei dem Täterstrategien und Umfeldbedingungen überall ähnlich sind; deshalb Abkehr von der falschen Selbstanklage bezüglich kirchenspezifischer Ursachen von Missbrauch

• Die Krise der Kirche besteht nicht im Missbrauch durch einen kleinen Anteil von Klerikern und kirchlichen Laienmitarbeitern, sondern im Glaubensschwund bei Bischöfen, Priestern und Laien.

Deshalb ist eine Glaubenserneuerung und -vertiefung durch Katechese und Evangelisierung überlebensnotwendig für die Kirche, beginnend mit der Selbstevangelisierung von Bischöfen und Priestern.
Hubert Hecker