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Missverstehen  müssen,  können oder wollen?  ( Synodaler Bruch 4 )

Missverstehen mit Verleumdungsfolge

Die Tagesschau berichtete am 3. 2. 2022 über die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt a. M. mit dem Aufmacher „Äußerungen eines Bischofs sorgten für Aufruhr“. Viele Delegierte und Missbrauchsopfer seien über eine Redepassage  von Bischof Voderholzer „entsetzt“ gewesen. Ein Missbrauchsopfer meinte, der Regensburger Bischof habe zu „Winkelzügen gegriffen, um strafbare sexualisierte Gewalt in den 70er Jahre zu relativieren“. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Bätzing, nannte die Passage eine „grenzüberschreitende Verletzung nicht nur der Betroffenen, sondern vieler von uns“.

Was hatte der Regensburger Bischof gesagt? Er äußerte sich als erster Redner unter dem Tagesordnungspunkt „Aussprache“. Dabei nahm er in drei Punkten kritisch zum Münchener WSW-Gutachten Stellung sowie zu dem medialen Hype darum. An dem Gutachten bemängelte der Bischof: „Was dabei zu kurz kommt ist, dass die Strafrechtsreform von 1973 Missbrauch nicht mehr als Verbrechen eingeschätzt hat und zwar auf der Basis von sexualwissenschaftlichen Urteilen, dass für die Kinder und Jugendliche die Vernehmungen wesentlich schlimmer sind als die im Grund harmlosen Missbrauchsfälle.“ Er selbst wolle nicht den Fehler begehen, einem solchen Zeitgeist nachzugeben.

Bei und unmittelbar nach der Rede des Bischofs gab es keinerlei Missfallensbekundungen, keine Äußerungen von Entsetzen, erst recht kein Aufruhr im Saal. Das war eine Falschmeldung der Tagesschau.

Vorurteile statt achtsames Miteinander

Die Delegierten brauchten wohl einige Zeit, um den Sinn des eindeutigen, allerdings verschachtelten Satzes misszuverstehen. Als vierte Rednerin sprach die Benediktineroberin Schwester Philippa Rath zur Wiedergutmachung an den Missbrauchsopfern. Es gehe darum, „den Opfern die Würde wiederzugeben und nicht, wie Herr Voderholzer, von harmlosen Missbrauchsfällen zu sprechen“.

Bischof Bätzing hatte unmittelbar vor der „Aussprache“ der Synodalen einen „Leitfaden für gute Kommunikation und Konfliktgestaltung“ vorgestellt. Darin wird bei Meinungsverschiedenheit eine „Kultur des achtsamen Miteinanders“ unter „fairen Bedingungen“ gefordert nach dem Motto von Papst Franziskus: „Begegnen, zuhören, unterscheiden“. Der Akzent des Leitfadens liege „im Hören und Einlassen aufeinander“, hatte Bischof Bätzing den Synodalen mit auf den Weg gegeben. Bischof Bode ergänzte in einem Interview auf katholisch.de: „Man sollte so hinhören, dass man die Aussage des anderen in ihrer Intention versteht, dass man sie nachzuvollziehen sucht.“

Bischof Voderholzer hat bekanntlich bei kirchlich-theologischen Themen eine andere Meinung als die der synodalen Mehrheit. Doch dem Andersdenkenden gegenüber wurde die geforderte, aber eigentlich selbstverständliche Haltung des achtsamen Zuhörens und fairen Antwortens in den Wind geschlagen. Wie die folgende Aussprache zeigte, machten sich viele Synodale nicht die Mühe des genauen Hinhörens und noch weniger suchten sie die Intention von Bischof Voderholzers Aussage zu verstehen und nachzuvollziehen.  

Auch die Ordensschwester Philippa Rath hörte anscheinend nicht richtig zu. Außerdem verweigerte sie Bischof Voderholzer seinen kirchlichen Amtstitel. Möchte die Eibinger Benediktinerin vielleicht selbst als Frau Rath angesprochen werden? Heißt sie bei ihren Vorträgen unachtsame Zuhörer willkommen? Oder Gegenredner, die ihre Vorträge grob missverstehen und ins Gegenteil kehren? Sollte nicht die Goldene Regel: „Was du nicht willst…“ als Leitfaden für Kommunikation unter Christen die Regel sein? Wird sich Schwester Philippa Rath bei Bischof Voderholzer entschuldigen?

Nach dem Seitenhieb der Ordensschwester gegen den Bischof folgten im Laufe der Aussprache fünf weitere Beiträge mit ähnlicher Tendenz, meistens mit Beifall bestärkt. Wie kam es zu diesem mehrheitsdemokratischen Missverstehen?

Nötigung zum Missverstehen?

Das Synodalpräsidium, also Bischof Bätzing und ZdK-Frau Stettner-Karp, trafen nach eigenen Angaben folgende Absprache: Sie hätten Voderholzers Worte als „Grenzverletzung missverstehen müssen“. Da stellt sich die Frage: Worin lag die Nötigung zum Missverstehen? In Form und Inhalt der Aussage von Bischof Voderholzer? Oder in der Voreinstellung der nicht genau zuhörenden Synodalen einschließlich des Präsidiums?

Der Delegierte Kurzbach sagte zu Bischof Voderholzer gewandt: „Sie sind immer eng dran, dass man Sie missverstehen kann.“ Der Regensburger Bischof ist bekannt dafür, die progressiven Tendenzen des Synodalen Wegs mehrfach kritisiert zu haben aus seiner klassisch-konservativen Haltung heraus. Da könnte die Versuchung groß sein, bei passender Gelegenheit etwas Kompromittierendes in seine Worte hineinzulesen.

In jenen Tagen Ende Januar / Anfang Februar kam eine medial erzeugte Erregung der Öffentlichkeit zu Papst und Kirche hinzu. Wenn da einer (wie Bischof Voderholzer) Kritik an dem Münchener WSW-Gutachten vorbrachte und zugleich den emeritierten Papst Benedikt verteidigte, dann konnte er doch eigentlich nur ein Relativierer von Missbrauch und kirchlicher Verantwortung sein! Solche Stimmungsmache verbreiteten Medien - und auch Synodale.

Fremdschämen im Empörungsduktus

Der Frankfurter Pfarrer Dr. Werner Otto bemühte den beliebten Betroffenheitsgestus des Fremdschämens: Nach den „Einlassungen von Kardinal Ratzinger und dem Münchener Gutachten“ möchte er als Pfarrer in seinem Gottesdienst „vor Scham im Boden versunken“ sein. Und es erfülle ihn erneut „mit Scham, wenn ich heute schon wieder Ansätze zur Relativierung und Verharmlosung von Vertuschung hören muss von Bischof Voderholzer“.

Das Echo der skandalisierenden Medien war auch in den „erschütterten“ Empörungsworten anderer Synodaler vernehmbar: „Es ist unerträglich“, sagte der Delegierte Ulrich Hoffmann. „Ich bin entsetzt und fassungslos, wenn sexualisierte Gewalt an Kindern verharmlost, verniedlicht oder relativiert wird.“ Professor Mathias Sellmann ergänzte in Richtung Bischof Voderholzer gewendet: „Ich bin entsetzt, wenn Sie hier öffentlich, ein Bischof der katholischen Kirche in Deutschland, hier in dieser Öffentlichkeit sagen: Die aufklärenden Gespräche mit Kindern seien schlimmer als der an sich harmlose sexuelle Missbrauch.“ (Nach Bischof Voderholzer Redeauszug hatten Sexualwissenschaftler vor 50 Jahren gerichtliche „Vernehmungen“ schlimmer eingeschätzt als die Missbrauchsschädigungen selbst.)

Der BDKJ-Vorsitzende Gregor Podschun meinte: „Wir haben als ersten Redebeitrag eine Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den systemischen Ursachen gehört, eine Aussage, die offenbar Fragen und Suchen nach der Wahrheit des abscheulichen Missbrauchs durch die Täterorganisation Kirche als schlimmer bewertet als Missbrauch selbst.“ (Bischof Voderholzer hatte von sexualwissenschaftlichen Beiträgen zur Strafrechtsreform von 1973 gesprochen, an der die Kirche nun wirklich nicht beteiligt war.)

Rhetorisch versierte und beifallheischende Beschuldigungsrede

Schließlich meldete sich der Sprecher des Betroffenenbeirats, Johannes Norpoth, zu Wort. Er bezog sich in seinem Redebeitrag zunächst auf das juristische Münchener Gutachten, das er mit dem medialen Skandaljargon „Darstellung des Schreckens“ belegte.

Das Wort des Betroffenensprechers hat besonderes Gewicht. Bischof Overbeck hatte kurz zuvor vom „Lehramt der Betroffenen“ gesprochen. Später beschloss die synodale Vollversammlung die Formulierung: In der Stimme der Betroffenen sei „die Stimme Christi vernehmbar“ – angeblich mit apostolischer Dignität von Neu-Offenbarung für unsere Zeit („locus theologicus“).

Im Rahmen dieser quasi biblischen Autoritätsüberhöhung sagte Johannes Norpoth: Aus dem Münchener Gutachten gehe unmissverständlich die „Verantwortungslosigkeit diverser Hierarchieebenen“ hervor sowie „die bis heute andauernde unfassbare Empathielosigkeit, Herr Bischof Vorderholzer, die ich in ihrer Wortmeldung sehr sehr deutlich habe erleben müssen“. Der Betroffenensprecher hielt es nicht für nötig, in der gebotenen Achtsamkeit den Namen des von ihm angegriffenen Bischofs richtig auszusprechen. (Das stets bischofskritische und gut informierte Online-Magazin ‚Regensburg Digital‘ schrieb am 4. 2. 2022: „Mangel an Empathie kann man Voderholzer nicht vorwerfen.“)

Nach seinen routiniert vorgetragenen Beschuldigungen kam Johannes Norpoth zum Höhepunkt seiner Ansprache, indem er mit deutlich erhobener Stimme in den Sitzungssaal rief: „Es kann doch nicht sein, dass 2022 in einer Synodalversammlung wie hier von einer Verharmlosung sexueller Straftaten gegenüber Minderjährigen und Kinder gesprochen wird“ (Beifall). „Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren!“ (gesteigerter Beifall)

Nüchterne Beobachter bemerkten, dass sie in der fulminanten Rede des Betroffenensprechers weniger die Stimme Jesu Christi erkannt hätten als die eines rhetorisch versierten und beifallheischenden Vertreters des katholischen Verbandswesens. Als solcher hatte sich Johannes Norpoth selbst vorgestellt „mit jahrzehntelanger Erfahrung im deutschen Verbandskatholizismus“.

 Klarstellung und erneutes Missverstehen-Wollen

Bischof Voderholzer meldete sich als zweitletzter Redner der Aussprache noch einmal zu Wort. Er brauchte nichts „korrigieren“, wie Bischof Bätzing fälschlich vor der Tagesschau-Reporterin behauptete, sondern nur seine missverstandene Position klarstellen und erläutern:

Es tue ihm leid, dass er sich offenbar (für dieses weitgehend akademische Publikum) nicht klar genug ausgedrückt habe. „Vielleicht habe ich die Anführungszeichen nicht deutlich mitgesprochen. Aber ich werde mit einer Position identifiziert, die genau das Gegenteil von dem sagt, was ich selbst für richtig halte. (…) Die Verharmlosung des sexuellen Missbrauchs durch Sexualwissenschaftler (in den 70er Jahren), die dazu geführt hat, dass der sexuelle Missbrauch (bis 2021) nicht mehr als Verbrechen im Strafrecht genannt wurde, das ist meines Erachtens empörend und eine Schandtat. Davon möchte ich mich aufs Entschiedendste abgrenzen“ (leichter Beifall).

In der Pause nach Voderholzers Klarstellungsbeitrag holte eine ARD-Journalistin Johannes Norpoth vor die Tagesschau-Kamera. Dort sagte der Sprecher des Betroffenenbeirats erneut: „Ich hab‘ erstmal Luft holen müssen, weil ich nicht davon ausgegangen bin, dass im Jahre 2022 ein Vertreter des deutschen Episkopats noch zu diesen Winkelzügen greift, um strafbare sexualisierte Gewalt in den 70er / 80er Jahren zu relativieren.“

Wider besseres Wissen unwahre Tatsachen über eine andere Person behauptet

Seine Aussage machte Johannes Norpoth, nachdem er die unmissverständliche Klarstellung von Bischof Voderholzer in dessen zweitem Redebeitrag gehört hatte (siehe oben). Er wusste also oder musste es wissen, dass das Gegenteil richtig war zu dem, was er nassforsch in die Tagesschau-Kamera sprach.

Schon was der Betroffenensprecher in der Aussprache dem Bischof unterstellt hatte, nämlich eine „unfassbare Empathielosigkeit“, war bereits ehrenrührig. Denn dem Regensburger Bischof wurden ausweislich verschiedener Medienberichte empathische Begegnungen mit zahlreichen Missbrauchsopfern bescheinigt. Möglicherweise wusste Norpoth das nicht. Zu seinem späteren Beitrag für die Tagesschau kann er aber nicht mehr Unwissenheit in der Sache vorschützen.

Sicherlich kennt Johannes Norpoth den Tatbestand der Verleumdung:

Wer wider besseres Wissen über eine andere Person eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist.

Der anderen Person, Bischof Voderholzer, unterstellte der Betroffenensprecher vor mehr als sechs Millionen TV-Zuschauern die unwahre Tatsache, dass er zu Winkelzügen greifen würde, um vergangene strafbare sexualisierte Gewalt zu relativieren. Wie will Herr Norpoth diese verleumderische Behauptung wieder aus der Welt schaffen?

Zudem bestätigte und bestärkte Johannes Norpoth mit seiner Verleumdung das schon lange von den Medien verbreitete Vorurteil in der Gesellschaft, dass Kleriker in einem höheren Maße als andere Berufsgruppen mit Bezug zu Minderjährigen in Missbrauch verstrickt wären. Was will der Verbandskatholik und ZdK-Vertreter als Wiedergutmachung für die Rufschädigung an Geistlichen und Bischöfe in der öffentlichen Meinung tun?

Instrumentalisierung der Missbrauchsopfer

Aus dieser Stimme eines Betroffenen spricht mit Sicherheit nicht die Stimme Jesu Christi, wie die Synodalvollversammlung mit demokratischem Mehrheitsbeschluss dekretierte. Missbrauchsopfer sind Menschen mit Leiderfahrungen. Denen wird mit der theologischen Überhöhung kein bisschen geholfen, sondern eher Erwartungen aufgeladen, die sie nie erfüllen können. Die Sakralisierung der Missbrauchsopferstimme ist eher eine Belastung für die Betroffenen.

Der Synodale Weg muss sich weiterhin dem Vorwurf aussetzen, mit der weit hergeholten ‚Theologie der Missbrauchsopfer‘ seine eigene Agenda für Strukturreformen zu bestärken und damit die Missbrauchsopfer erneut zu instrumentalisieren.  

Hubert Hecker