20.12.2023
FIDUCIA SUPPLICANS
EINE FREVELHAFTE SCHRIFT
Dr. Hubert Windisch, emeritierter Professor für Pastoraltheologie
Ich äußere mich seit einiger Zeit schon nicht mehr zu vatikanischen Irrungen und Wirrungen (es scheint zwecklos zu sein). Aber dieses Schreiben stellt eine ungeahnte Steigerung an vatikanischer Verderbtheit dar. Es ist ein Bruch mit der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche und stößt die katholische Kirche in den freien Fall. Daher möchte ich kurz auf Fiducia Supplicans eingehen.
Einige Stellungnahmen, die ich gelesen habe, versuchen, dieses winkelzügige Dokument mit Winkelzügen zu sanieren. Das geht nicht auf. Diese Erklärung ist schädlich und schändlich zugleich.
Schändlich, weil sie nur so vor theologischen, liturgischen und pastoralen Irrtümern strotzt. Es gibt ja nicht nur irreguläre Situationen homosexueller Art. Wer die gesellschaftliche Wirklichkeit in sexualibus nüchtern wahrnimmt, muß erschrecken.
Und was bedeutet dann ein Segen? Benedicere? Gutheißen? Ohne auf Details einzugehen, kann man durch das ganze Schreiben hindurch die sophistische (jesuitische?) Attitüde spüren, die schon fein verpackt in Amoris Laetitia gegeben war, nämlich, wie ein Ja ein Nein und ein Nein ein Ja wird, ganz im Gegensatz zum Herrenwort in Mt 5,37,
Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.
Sie ist Ausdruck einer sich der Welt und ihren Plausibilitäten unterwerfenden Kirche, die vorführt, wie Selbstbehauptung durch Selbstaufgabe geht.
Schädlich ist die Erklärung, weil dieses Schreiben in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit und in den Pfarreien als Legitimation für irreguläre Situationen gelesen und gehandhabt werden wird. Ich glaube nicht, daß man im Vatikan eigentlich so naiv sein kann, diese verfehlte Wirkung nicht in Betracht zu ziehen. Ist sie vielleicht sogar gewollt? Wie wäre es, ein derartiges Schreiben im Blick auf das 4., 5., 7. oder 8. Gebot der zweiten Tafel des Dekalogs zu verfassen? Es ergäbe eine Katastrophe.
Ich frage mich auch, wieso vor zwei Jahren der Glaubenspräfekt Ladaria genau das Gegenteil verlauten ließ, übrigens vor kurzem auch der Kardinalstaatssekretär Parolin! Was hier vorliegt, ist ein selbstgefälliger Bruch im Lehramt der Kirche, provoziert von einem unfähigen „Glaubens“präfekten mit dem Placet des Papstes.
Eine Marginalie vielleicht, aber nicht unwichtig: Die Bischöfe werden immer weniger in der Seelsorge zu sagen haben. Vor Ort in Pfarreien, Verbänden und Gremien sitzen viele kleine Päpste mit ihren synodalen Helfern, die unter Berufung auf den Papst verkennen, daß das, was sie meinen, nicht mehr katholisch ist, es aber für die Quintessenz der katholischen Kirche halten und dementsprechend handeln.
Was wollen die Bischöfe, wenn sie dem Papst nicht wie einst Paulus dem Petrus ins Angesicht widerstehen (vgl. Gal 2,11), diesen Leuten noch sagen? Vielleicht nur noch: Gut so – benedicite irregulariter.
In Anlehnung an Thilo Sarrazin: Die Kirche schafft sich ab. Aber nur die Spreukirche. Der Herr siebt den Weizen aus.