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                                                                                               12.3.2024

Freie Abtreibung – ein Meilenstein für Frauenrechte oder eine rechtliche Missgeburt?

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht 1993 ein Lebensschutzkonzept befürwortet, das bei Konflikten „in der Frühphase der Schwangerschaft den Schwerpunkt auf Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen“.  Im 1995 verabschiedeten Paragraf 218a wird die vom Arzt bis zur 12. Schwangerschaftswoche vorgenommene Abtreibung straffrei gesetzt, wenn die Schwangere eine Beratungsbescheinigung vorlegt. Grundsätzlich bleibt Abtreibung aber „grundrechtswidrig“, da für das ungeborene Kind das „Recht jedes Menschen auf Leben“ gilt. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau kann das vorrangige Grundrecht eines anderen Menschen nicht aushebeln. 

In Frankreich dagegen soll in Zukunft Abtreibung ein Grundrecht von Frauen sein. Kürzlich hat eine überwältigende Mehrheit von Abgeordneten und Senatoren dafür gestimmt, „die Freiheit der Frau, eine Schwangerschaft zu beenden“, in die französische Verfassung aufzunehmen. Das neue Verfassungsrecht auf Abtreibung sei ein „Meilenstein zum Schutz der Frauenrechte“, wie es die französische Kongresspräsidentin formulierte.

Die in diesem Fall übliche euphemistische Tarnbezeichnung für Abtreibung als „Schwangerschaftsbeendigung“ weist auf das Bestreben der Gesetzgeber hin, das Menschsein des Embryos auszublenden. Die entsprechende Rechtsbegründung in Frankreich lautet: Jede schwangere Frau habe das Recht und die Freiheit, über ihren Körper zu entscheiden. Demnach wäre der Embryo nur ein Körperteil der Frau wie der Blinddarm, über dessen Verbleib oder Wegoperation die Frau frei entscheiden könnte.

Doch in Wirklichkeit besteht ein substantieller Unterschied zwischen den natürlichen Körperorganen der Frau und dem Embryo. Dieser ist der Körper eines eigenständigen Menschen im Wachsen. Sein Herz beginnt ab der sechsten Schwangerschaftswoche zu schlagen. In der zehnten Woche sind schon Finger und Zehen zu erkennen; Ohren, Nase, Mund und Augen nehmen Gestalt an.

Darf eine Schwangere über den Körper eines anderen,  ungeborenen Menschen frei entscheiden?

Der moderne Staat hat die grundrechtliche Freiheit des Menschen zu gewährleisten. Wenn allerdings die Rechte anderer verletzt werden, hat er die Pflicht, der Freiheit Schranken zu setzen, um die Grundrechte anderer zu schützen.

In diesem Fall ist der Staat verpflichtet, das Lebensrecht und die körperliche Unversehrtheit des Ungeborenen zu gewährleisten, indem er die Entscheidungsfreiheit der Schwangeren gesetzlich einschränkt.

Dagegen wird eingewandt, dass die allgemeinen Grundrechtsvorschriften nicht dem speziellen Näheverhältnis der Schwangeren zum Embryo gerecht würden und auch nicht die Not der schwangeren Frauen berücksichtigen, die vielfach von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt werden.

Solche Beziehungsbesonderheiten sind vom Staat bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung zu berücksichtigen. Diesen Weg hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in den Leitsätzen seines Grundsatzurteils von 1993 zum Paragraf 218 gewiesen:

• Das Gericht hat Ausnahmetatbestände unter den Kriterien der Unzumutbarkeit durch ein Übermaß von gegenwärtigen und erwartbaren Belastungen zugelassen.
• Der Gesetzgeber habe durch Beratung und Hilfestellungen „positive Voraussetzungen für ein Handeln der Frau zugunsten des ungeborenen Lebens zu schaffen“
• Die staatliche Schutzauftrag erfordere, den „rechtlichen Schutzanspruch des Ungeborenen im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben“ .
• Außerdem habe der Staat Gefahren für das ungeborene Leben aus dem familiären und sozialen Umfeld der Schwangeren entgegenzuwirken.
• Neben den präventiven Lebensschutzkonzepten dürfe der Staat aber nicht auf die Schutzwirkung durch den Einsatz des Strafrechts verzichten.

Dieses Verfassungsgerichtsurteil ist zukunftsweisend, weil es auf der Basis unserer europäischen Rechtsordnung aufbaut, indem das universale Lebensrecht für jeden Menschen zumindest im Ansatz berücksichtigt wird. Im Rahmen der allgemeinen Menschenrechte ist ein Sonderrecht für Frauen zur freien, unbeschränkten Abtreibung ihrer embryonalen Kinder nicht begründbar. Der Vorstoß des französischen Kongresses ist kein Meilenstein in der Auslegung der Menschenrechte, sondern eine rechtliche Missgeburt. 

 Hubert Hecker